Befürwortungen der öffentlichen Aufarbeitung des Generalplan Ost, chronologisch |
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Nr. 1 bis 100 |
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Befürwortungen nach politischen Parteien |
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Befürwortungen nach weiteren Kategorien |
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Gedenkstätten, Museen und Archive |
weitere Stellungnahmen aus dem Ausland (ausserhalb Polens) sowie diplomat. Vertretungen |
Gesetzes- und Vertragsgrundlagen; relevante Institutionen und Einzelpersonen (Rechtspflege) |
Achte deinen Mitmenschen, denn er ist wie du.
3. Mose Kapitel 19, Vers 18 in Übersetzung nach
Martin Buber
Errette, die man zu Tode schleppt und entzieh dich nicht denen, die zur Schlachtbank wanken. Sprichst du: Siehe, wir habens nicht gewußt", fürwahr, der die Herzen prüft, merkt es, und der auf deine Seele acht hat, weiß es (..).
Sprüche Salomo, Kapitel 24, Verse 11-12 in Übersetzung nach Martin
Luther
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Kleine biblische Besinnung
Josef und seine Brüder:
Das schmerzhafte Zutagetreten alter, verdrängter Schuld
nach 22 Jahren
1. Buch Mose (Bereschit/ Genesis) Kapitel 37 bis Kapitel 45
Kap. 37, 18-20: klare Tötungsabsicht:
Als sie [die Brüder] ihn nun sahen von ferne, machten sie einen Anschlag, daß sie ihn töteten, und sprachen untereinander: Seht, der Träumer kommt daher! So kommt nun und laßt uns ihn töten und in eine Grube werfen und sagen, ein böses Tier habe ihn gefressen; so wird man sehen, was seine Träume sind.
Kap. 37, 23 – 25a: Herzlosigkeit, Herzenshärte:
Als nun Josef zu seinen Brüdern kam, zogen sie ihm seinen Rock aus, den bunten Rock, den er anhatte, und nahmen ihn und warfen ihn in die Grube; aber die Grube war leer und kein Wasser darin. Und sie setzten sich nieder, um zu essen.
Kapitel 42: Erste Reise der Brüder nach Ägypten 22 Jahre später:
42, 16: der ägyptische Premierminister Zafenat-Paneach, der nichterkennbare Josef, beginnt die Prüfung der Wahrhaftigkeit: "Sendet einen von euch hin, der euren Bruder hole, ihr aber sollt gefangen sein. Daran will ich prüfen eure Rede, ob ihr mit Wahrheit umgeht. Andernfalls – so wahr der Pharao lebt" – seit ihr [feindliche] Kundschafter!"
Kap. 42, 21: Sie sprachen aber untereinander: Das haben wir an unserem Bruder verschuldet! Denn wir sahen die Angst seiner Seele, als er uns anflehte, und wir wollten ihn nicht erhören; darum kommt nun diese Trübsal über uns.
Kap. 42, 28b: Da entfiel ihnen ihr Herz, und sie blickten einander erschrocken an und sprachen: Warum hat Gott uns das angetan?
Kap. 42, 35b: Und als sie sahen, daß es die Beutel mit ihrem Geld waren, erschraken sie samt ihrem Vater.
Zweite Reise der Brüder nach Ägypten:
Kap. 43, 18a: Sie fürchteten sich aber, weil sie in Josefs Haus geführt wurden.
Kapitel 44 und 45: Überschrift in der Luther-Bibel: Josefs Brüder werden hart geängstigt
44, 13a: Da zerrissen sie ihre Kleider.
44.16: Juda sprach: Was sollen wir meinem Herrn sagen. Oder wie sollen wir reden, und womit können wir uns rechtfertigen? Gott hat die Missetat deiner Knechte gefunden.
44, 32: Denn ich, dein Knecht, bin Bürge geworden für den Knaben vor meinem Vater und sprach: Bringe ich ihn dir nicht wieder, so will ich mein Leben lang die Schuld tragen.
Kap. 45, 3b: Und seine Brüder konnten ihm nicht antworten, so erschraken sie vor seinem Angesicht.
Gedicht SCHULD
Ich trage leicht an dem,
was das Gericht
Mir Schuld benennen wird: An Plan und Sorgen.
Verbrecher wär ich, hätt ich für das morgen
des Volkes nicht geplant aus eigner Pflicht
Doch schuldig bin ich.
Anders als ihr denkt!
Ich musste früher meine Pflicht erkennen,
ich musste schärfer Unheil Unheil nennen,
mein Urteil hab ich viel zu lang gelenkt...
Ich klage mich in meinem
Herzen an:
Ich habe mein Gewissen lang betrogen,
ich hab mich selbst und andere belogen -
Ich kannte früh des
Jammerns ganze Bahn.
Ich hab gewarnt - nicht hart genug und klar!
Und heute weiss ich, was ich schuldig war.
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Albrecht Haushofer
7.1.1903 bis 23.04.1945
Professor für politische
Geographie, Wissenschaftler
Autor von Dramen und Gedichten
Nach dem 20. Juli 1944 Haft
im Zellengefängnis Berlin-Moabit.
Dort Niederschrift der „Moabiter Sonette“
In der Nacht vom 22. Auf den 23. April 1945 nahe dem Lehrter Bahnhof mit 12 anderen Widerstandskämpfern ermordet.
Artikel 1: Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit dienen.
Artikel 2: Jeder Mensch hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündigten Rechte und Freiheiten ohne irgendeine Unterscheidung wie etwa nach Rasse, Farbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, nach Eigentum, Geburt oder sonstigen Umständen. (..)
Artikel 3: Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.
London/ Bonn, im Februar 1953
- (West-) Deutschland bekennt sich zur Rechtsnachfolge des Dritten Reiches im Sinne der Anerkennung von Kriegschuld und der Übernahme der finanziellen Verbindlichkeiten der damaligen Regierung;
- Es wird ein Übereinkommen erzielt, die Regelung der NS-Kriegsbesatzungsschäden erst später, im Rahmen eines gesamteuropäischen Friedensvertrages zu regeln.
Mit der offiziellen Aufnahme der BR Deutschland als NATO-Mitglied 1955 kurz nach Gründung der Bundeswehr anerkannte Deutschland schriftlich-verbindlich die Priorität von Völkerrechtsfragen vor Interessen und Rechtsansprüchen der nationalen deutschen Verbände und Gesetzesansprüchen. Exakter Wortlaut der Bestimmung wird nachgereicht.
Betreff: [breakpoint] The Duty to Disobey,
01/21/2002
Breakpoint/Justice Fellowship is holding its Third Annual
National Forum on restorative justice this March in Orlando, FL. For more
information, see the end of this e-mail.
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If you find
these free daily transcripts helpful, please forward
this one to friends and
family. If you're not yet a subscriber,
come to http://www.breakpoint.org/ and click on
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BreakPoint with Charles
Colson
Commentary #020121 - 01/21/2002 The Duty to Disobey: Remembering
Martin Luther King, Jr.
Today we celebrate Martin Luther King Jr.'s
birthday, and across the country, millions of children are studying his life and
his work. But while plenty of kids can quote from King's famous "I Have a Dream"
speech, many don't realize that King also penned a powerful defense of "natural
law" -- the body of moral truths that must undergird our nation's
laws.
In the spring of 1963, King was arrested for leading massive
non-violent protests against the segregated lunch counters and discriminatory
hiring practices rampant in Birmingham, Alabama. While in jail, King received a
letter from eight Alabama ministers. They agreed with King's goals, but they
thought he should call off the demonstrations and obey the law.
King
disagreed, and his famous LETTER FROM A BIRMINGHAM JAIL explains why. "One may
well ask," he
wrote, "how can you advocate breaking some laws and obeying
others?" The answer, he wrote, "is found in
the fact that there are two kinds
of laws: just laws. . . and unjust laws."
"One has not only a legal but a
moral responsibility to obey just laws," King said, "but conversely, one
has
a moral responsibility to disobey unjust laws."
How does one determine
whether a law is just or unjust? A just law, King wrote, sounding like
Augustine, "squares with the moral law of the law of God. An unjust law . . . is
out of harmony with the moral law."
King stood squarely within a long
tradition dating back to Aristotle and then Augustine and Aquinas. But today,
the whole concept of natural law has fallen out of favor. As Princeton legal
philosopher Robert George writes in his new book, THE CLASH OF ORTHODOXIES, many
secular ideologues teach that "moral rights cannot come as a divine gift because
there is no divine giver." According to this faction, moral rights "exist only
in the sense that certain
people . . . happen to believe . . . subjectively
-- that rights exist and are willing to honor them. Where people . . . do not
happen to believe in their existence, rights simply do not
exist."
Confronted with such thinking, Dr. King would have been appalled,
George writes; he knew that without enduring, objective standards of justice,
then, as Nietzsche put it, "all things are permitted" -- including segregation
and even slavery. As a Christian, King knew that even in our fallen state,
humans have access to a law "written on the heart" -- the natural law -- as
Romans puts it. Before this law, all unjust human law stands
condemned.
"When Christians insist that human laws line up with moral
truth," George writes, "we are not 'imposing religion.' Instead, we are
making the entirely reasonable demand that reason be given its due in human
affairs. Unjust law fails to bind the conscience and must be opposed by people
of faith." This was Dr. King's point to his fellow clergy. In King's
time, the great sin against natural law was the systematic violation of human
rights and dignity based on race; today, it's the assault on human life
itself.
A wonderful way to honor King's memory is to teach our kids about
his eloquent defense of natural law.
Professor George's new book, THE CLASH
OF ORTHODOXIES -- or my book, HOW NOW SHALL WE LIVE?, in which we tell King's
story -- is a great place to start. You'll see why, for two thousand years,
Christians have maintained exactly what King maintained.
For further
reading:
Charles Colson and Nancy Pearcey, HOW NOW SHALL WE LIVE?
(Tyndale House, 1999).
<http://www.pfmonline.net/products.taf?_function=deta il&Site=BPT&Item_Code=BKHNS>
Robert
George, THE CLASH OF ORTHODOXIES: LAW, RELIGION, AND MORALITY IN CRISIS (ISI
Books, 2001).
<http://www.pfmonline.net/products.taf?_function=deta il&Site=BPT&Item_Code=BKCLO>
The
Martin Luther King Jr. Papers Project at Stanford University <http://www.stanford.edu/group/King/>
Martin
Luther King Jr., LETTER FROM A BIRMINGHAM
JAIL, 16 April 1963.
<http://www.stanford.edu/group/King/frequentdocs/birmingham.
pdf>
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"Justice
That Restores": Breakpoint/Justice Fellowship's Third Annual National Forum
on Restorative Justice will be held March 14-16, 2002, at the Hyatt Regency,
Orlando. Speakers include: Chuck Colson, Pat Nolan, Hon. Mike Huckabee (AR),
Dan Van Ness, Sheryl Ramstad Hvass, and Reginald Wilkinson. Cost is $350 per
person; $300, if received on or before January 20; $250, if alumni of
previous conference. Register online <https://www.pfmonline.net/str_donation.taf?site=rjc>
or call
1-800-217-2743 for more information.
Copyright (c) 2002 Prison
Fellowship Ministries
Hochwürdige Konzilsbrüder!
Es sei uns gestattet, ehrwürdige Brüder, ehe das Konzil sich verabschiedet, unseren nächsten westlichen Nachbarn die freudige Botschaft mitzuteilen, daß im nächsten Jahr ‑ im Jahre des Herrn 1966 ‑ die Kirche Christi in Polen und mit ihr zusammen das gesamte polnische Volk das Millenium seiner Taufe und damit auch die Tausendjahrfeier seines nationalen und staatlichen Bestehens begehen wird.
Wir laden Sie hiermit in brüderlicher, aber auch zugleich in feierlichster Weise ein, an den Kirchenfeiern des polnischen Milleniums teilzunehmen; der Höhepunkt des polnischen Te deum laudamus soll Anfang Mai 1966 auf der Jasna Gära, bei der heiligen Mutter Gottes, der Königin Polens, stattfinden.
Die folgenden Ausführungen mögen als historischer und zugleich auch sehr aktueller Kommentar unseres Milleniums dienen und vielleicht auch mit Hilfe Gottes unsere beiden Völker im gegenseitigen Dialog einander noch näherbringen.
Es steht geschichtlich einwandfrei fest, daß im Jahr 966 der polnische Herzog Mieszko I. durch Einfluß seiner Gemahlin, der tschechischen Königstochter Dombrowka, zusammen mit seinem Hofstaat als erster polnischer Herzog das heilige Sakrament der Taufe empfing.
Von diesem Augenblick an wurde das christliche Missionswirken in Polen ‑ seit Generationen durch christliche Apostel schon vorher in unserem Land verkündet ‑ im ganzen polnischen Volksraum verbreitet.
Der Sohn und Nachfolger Mieszkos, Bolesław Chrobry (der Tapfere) setzte das Christianisierungswerk seines Vaters fort und erwirkte vom damaligen Papst Silvester II. die Errichtung einer eigenen polnischen Hierarchie mit der ersten Metropole in Gniezno (Gnesen) und drei Suffraganbistümern Kraków, Wrocław, Kołobrzeg (Krakau, Breslau, Kolberg). Bis 1821 blieb Gniezno weiterhin Metropole des Breslauer Bistums. Im Jahre 1000 begab sich der damalige Herrscher des Römischen Imperiums, der Kaiser Otto III., zusammen mit Bolesław Chrobry als Pilger zum Märtyrerschrein des heiligen Wojciech‑Adalbert, der einige Jahre vorher bei den baltischen Preußen den Märtyrertod erlitten hatte. Die beiden Herrscher, der römische und der zukünftige polnische König (er wurde kurz vor seinem Tode zum König gekrönt), gingen barfuß eine weite Strecke Weges zu den heiligen Gebeinen in Gniezno, die sie alsdann mit großer Andacht und innerer Ergriffenheit verehrten.
Das sind die geschichtlichen Anfänge des christlichen Polens und zugleich auch die Anfänge seiner nationalen und staatlichen Einheit. Auf diesen Fundamenten ‑ christlich, kirchlich, national und staatlich zugleich ‑ wurde sie durch alle Generationen weiter ausgebaut von Herrschern, Königen, Bischöfen und Priestern, 1000 Jahre hindurch. Die Symbiose Christentum, Kirche, Staat bestand in Polen seit Anfang und wurde eigentlich nie gesprengt. Sie erzeugte mit der Zeit die fast allgemeine polnische Denkart: Polnisch ist zugleich katholisch. Aus ihr heraus entstand auch der polnische Religionsstil, in dem seit Anfang an das Religiöse mit dem Nationalen eng verwoben und verwachsen ist, mit allen positiven, aber auch negativen Seiten dieses Problems.
Zu diesem religiösen Lebensstil gehört auch seit jeher als sein Hauptausdruck der polnische Marienkult. Die ältesten polnischen Kirchen sind der Mutter Gottes geweiht (u.a. die Gnesener Metropolitan‑Kathedrale); das älteste polnische Lied, sozusagen das Wiegenlied des polnischen Volkes, ist ein bis heute noch gesungenes Marienlied: "Bogurodzica‑dziewica, Bogiem Sławiona Maryja" (Gottesgebärerin ‑ Jungfrau Maria). Die Tradition bringt sein Entstehen mit dem heiligen Wojciech zusammen, ähnlich wie die Legende es mit den polnischen weißen Adlern im Nest von Gniezno tut. Diese und ähnliche Traditionen und Volkslegenden, welche die Geschichtstatsachen wie Efeu umranken, haben das Gemeinsame von Volk und Christentum so eng miteinander verwoben, daß man sie einfach schadlos nicht auseinanderbringen kann. Von ihnen her wird alles spätere polnische Kulturgeschehen, die gesamte polnische nationale und kulturelle Entwicklung, bestrahlt, ja sogar zu einem Großteil geprägt.
Die allerneueste Geschichtsschreibung gibt diesen unseren Anfängen folgende politische und kulturelle Bedeutung: "In der Begegnung mit dem Imperium Ottos des Großen vor einem Jahrtausend hat sich Polens Eintritt in die lateinische Christenheit vollzogen, und durch die bewundernswert geschickte Politik Mieszkos I. und sodann Bolesław des Tapferen ist es zu einem gleichberechtigten Glied des universal konzipierten, auf Erfassung der gesamten nichtbyzantinischen Welt gerichteten Imperium Romanum Ottos III. geworden, womit Polen einen entscheidenden Beitrag zu der Gestaltung des östlichen Europa geleistet hat..."
Damit war die Grundlage gelegt und die Form und Voraussetzung geschaffen für die kommenden fruchtbaren deutsch‑polnischen Beziehungen und die Ausbreitung der abendländischen Kultur.
Leider sind die deutsch‑polnischen Beziehungen im späteren Verlauf der Geschichte nicht immer fruchtbar geblieben und haben sich sozusagen in den letzten Jahrhunderten in eine Art nachbarliche "Erbfeindschaft" verwandelt. Darüber später.
Der Anschluß des neuen polnischen Königreiches an das Abendland, und zwar mit Hilfe des Papsttums, dem sich die polnischen Könige immer wieder zur Verfügung stellten, brachte im Mittelalter einen in jeder Hinsicht regen und äußerst reichen Austausch zwischen Polen und den abendländischen Völkern, insbesondere mit den süddeutschen Ländern, aber auch Burgund und Flandern, mit Italien und später mit Frankreich und Österreich und den italienischen Renaissancestaaten, wobei natürlicherweise Polen als jüngeres Staatsgebilde, als jüngster von den älteren Brüdern des christlichen Europas, anfangs mehr der nehmende als der gebende Teil war.
Es wurden zwischen Kalisz und Kraköw, der polnischen Königsstadt des Mittelalters, und zwischen Bamberg, Speyer, Mainz, Prag, Paris, Köln und Lyon und Clairvaux und Gent nicht nur Waren ausgetauscht. Es kamen aus dem Westen die Benediktiner, die Zisterzienser und später die Bettelorden und erhielten in Polen, im christlichen Neuland, sofort einen schwunghaften Auftrieb; dann kam im Mittelalter das deutsche Magdeburger Recht dazu, das bei polnischen Stadtgründungen große Dienste leistete. Es strömten auch nach Polen deutsche Kaufleute, Architekten, Künstler und Siedler, von denen sehr viele im polnischen Volkstum aufgingen: Ihre deutschen Familiennamen ließ man ihnen. In der großen Krakauer Bürgerkirche St. Maria finden wir noch heute die Grabinschriften zahlreicher deutscher Familien aus dem Mittelalter, die mit der Zeit alle polnisch geworden sind, woraus Hitler und andere ‑ unseligen Gedenkens ‑ den einfachen Schluß zogen, daß Kraków und ganz Polen nur eine deutsche Siedlung seien und demgemäß behandelt werden müssen. ‑ Das klassische Beispiel deutsch‑polnischer Zusammenarbeit in Kultur und Kunst im hohen Mittelalter ist wohl der weltberühmte Bildhauer Veit Stoß aus Nürnberg (Wit Stwosz), der fast sein ganzes Leben lang in Kraków wirkte; seine Werke dort sind alle vom Genius loci der polnischen Umgebung inspiriert: Er schuf in Kraköw eine eigene Künstlerschule, die noch Generationen hindurch nachwirkte und das polnische Land befruchtete.
Die Polen haben ihre Brüder aus dem christlichen Westen, die als Boten der wahren Kultur zu ihnen kamen, sehr geehrt und verschwiegen niemals ihre nichtpolnische Stammesherkunft. Wir haben der abendländischen ‑ auch der deutschen ‑ Kultur wahrhaftig sehr viel zu verdanken.
Es kamen auch aus dem Westen zu uns Apostel und Heilige, und sie gehören wohl zu dem Wertvollsten, was uns das Abendland geschenkt hat. Ihr segensreiches soziales Wirken spüren wir vielerorts noch heute. Zu den bekanntesten zählen wir den heiligen Bruno von Querfurt, "Bischof der Heiden" genannt, der den slawischen und litauischen Nordosten im Einvernehmen mit Bolesław Chrobry evangelisierte. Dann ganz besonders die heilige Hedwig (Jadwiga), Herzogin von Schlesien, aus Andechs gebürtig, Gemahlin des polnischen Piastenfürsten Heinrich des Bärtigen (Brodaty) von Schlesien und Gründerin des Zisterzienserinnenklosters von Trzebnica (Trebnitz), wo sie ihre Grabstätte gefunden hat. Sie ist im 13. Iahrhundert die größte Wohltäterin des polnischen Volkes in den damaligen Westgebieten des Piastenpolens, in Schlesien, geworden. Es steht historisch ziemlich fest, daß sie, um dem polnischen einfachen Volk dienen zu können, sogar die polnische Sprache lernte. Nach ihrem Tode und ihrer baldigen Heiligsprechung strömten ohne Unterlaß Scharen des polnischen und deutschen Volkes zu ihrer Grabstätte in Trzebnica ‑ später Trebnitz genannt. Und sie tun es noch heute zu Tausenden und Abertausenden. Niemand macht unserer großen Landesheiligen den Vorwurf, daß sie deutschen Geblütes war; im Gegenteil, man sieht sie allgemein ‑ von einigen nationalistischen Fanatikern abgesehen ‑ als den besten Ausdruck eines christlichen Brückenbaues zwischen Polen und Deutschland an ‑, wobei wir uns freuen, auch auf deutscher Seite recht oft dieselbe Meinung zu hören. Brücken bauen zwischen Völkern können eben am besten nur heilige Menschen, nur solche, die eine lautere Meinung und reine Hände besitzen. Sie wollen dem Brudervolke nichts wegnehmen, weder Sprache noch Gebräuche, noch Land, noch materielle Güter; im Gegenteil: Sie bringen ihm höchst wertvolle Kulturgüter, und sie geben ihm gewöhnlich das Wertvollste, was sie besitzen: sich selbst, und werfen damit den Samen ihrer eigenen Persönlichkeit in den fruchtbaren Boden des neuen Missionsnachbarlandes; dieser trägt dann gemäß dem Heilandswort hundertfache Früchte, und zwar Generationen hindurch. So sehen wir in Polen die heilige Hewig von Schlesien, so sehen wir auch alle anderen Missionare und Märtyrer, die, aus den westlich gelegenen Ländern kommenden, in Polen wirkten mit dem schon erwähnten Märtyrerapostel Wojciech‑Adalbert aus Prag an der Spitze. Darin besteht auch wohl der allertiefste Unterschied zwischen echter christlicher Kulturmission und dem sogenannten, heute zu Recht verpönten Kolonialismus.
Nach dem Jahre 1200, als das polnische Land immer christlicher wurde in seinen Menschen und Institutionen, wuchsen ihm eigene polnische Heilige heran.
Schon im 12. Jahrhundert war es der Bischof Stanislaus Szczepanowski von Kraków, Bekenner und Märtyrer, vom König Bolesław dem Verwegenen am Altare erschlagen. (Der König selbst starb als heiligmäßiger Büßer in der Verbannung in einem Kloster in Oberösterreich.) Am Grabe des heiligen Stanislaus in der königlichen Domkirche von Kraków entstand das majestätische Lied zu seiner Ehre, heute überall in Polen lateinisch gesungen: "Gaude mater Polonia, prole foecunda nobili..."
Dann erschien am Firmament das heilige polnische Dreigestirn aus der Familie der Odrowaz (ein altes Geschlecht, das lange Jahrhunderte an der Oder in Oberschlesien seinen Sitz hatte). Der größte von ihnen ist der heilige Hyazinth ‑ polnisch Jacek genannt ‑, ein Dominikanerapostel, der ganz Osteuropa von Mähren bis zum Baltikum, von Litauen bis Kiew mit Riesenschritten durchmaß. Sein Verwandter, der selige Czesław, ebenfalls Dominikaner, der die damalige Stadt Wrocław gegen die Mongolen verteidigte und im heutigen Wrociaw, in der neuerbauten Wojciech‑(Adalbert‑)Kirche begraben ist, wird von der frommen Bevölkerung als Patron der aus den Trümmem von 1945 wiedererstandenen Stadt verehrt. Und schließlich ruht in Kraköw die selige Bronisława, der Tradition nach Schwester des seligen Czesław, eine Norbertanerin aus Schlesien.
Die Sterne am Heiligenhimmel werden immer mehr: In Sącz die selige Kunigunde, in Gniezno Bogumil und die selige Jolanta, in Masowien Władysław, auf der Königsburg in Kraków die heiligmäßige Königin Jadwiga, eine neue polnische Hedwig, die auf ihre Heiligsprechung wartet. Später kamen neue Heilige und Märtyrer dazu: der heilige Stanislaus Kostka, Jesuitennovize in Rom, der heilige Johannes Kantius, Professor an der Jagiellonischen Universität in Kraków, der heilige Andreas Bobola, Märtyrer in Ostpolen, 1938 heiliggesprochen, und andere Heilige bis zum Franziskanerpater Maximilian Kolbe, dem Märtyrer vom Konzentrationslager Auschwitz, der sein Leben für seine Mitbrüder freiwillig hingab. Gegenwärtig warten in Rom etwa 30 polnische Kandidaten auf ihre Heilig‑ und Seligsprechung. ‑ Unser Volk ehrt seine Heiligen und betrachtet sie als die edelste Frucht, die ein christliches Land hervorbringen kann.
Die obengenannte polnische Universität in Kraków war die erste dieser Art neben Prag im ganzen osteuropäischen Raum. Gegründet schon im Jahre 1363 von König Kasimir dem Großen (Kazimierz Wielki), war sie Jahrhunderte hindurch Zentrum nicht nur politischer, sondern auch universaler europäischer Kulturstrahlung nach allen Richtungen, im besten Sinne des Wortes. ‑ Im 15. und 16. Jahrhundert, als die schlesischen Piastenländer nicht mehr zum polnischen Königreich gehörten, studierten in Kraków und dozierten daselbst Tausende von Studenten und Professoren aus Wratislavia (Breslau), Raciborz (Ratibor), Gliwice (Gleiwitz), Glogow (Glogau), Nyse (Neisse), Opole (Oppeln) und vielen anderen Städten Schlesiens. Ihre Namen und die Namen ihrer Geburtsorte sind in diesem polnisch‑lateinischen Idiom in den alten Universitätsregistern verzeichnet. Auch Nicolaus Kopernik (Copernicus) wird da namentlich angeführt. Er studierte in Kraków Astronomie beim Professor Martin Bylica. Hunderte von Gelehrten von höchstem wissenschaftlichen Rang hat diese Universität hervorgebracht und der europäischen Kultur geschenkt: Mathematiker, Physiker, Mediziner, Rechtsgelehrte, Astronomen, Historiker und Kulturphilosophen. Unter ihnen befindet sich auch der berühmte Paulus Włodkowic, Rektor der Krakauer Universität, der auf dem Konzil in Konstanz frank und frei, mit höchster Gelehrtenautorität, eine für damalige Zeiten unerhörte religiöse und humane Toleranz lehrte und mit großem persönlichem Mut den Standpunkt vertrat: Die heidnischen Völker Osteuropas seien kein Freiwild, das man mit Feuer und Schwert bekehren soll und darf. Sie haben natürliche Menschenrechte genauso wie die Christen...
Włodkowic war sozusagen der klassische Ausdruck des polnischen toleranten und freiheitlichen Denkens. Seine Thesen waren gegen die deutschen Ordensritter, die sogenannten "Kreuzritter", gerichtet, die damals im slawischen Norden und in den preußischen und baltischen Ländern die dortigen Ureinwohner eben mit Feuer und Schwert bekehrten und für das europäische Christentum und sein Symbol, das Kreuz, aber auch für die Kirche, in deren Namen sie auftraten, im Laufe der Jahrhunderte eine furchtbare und äußerst kompromittierende Belastung geworden sind. Noch heute, nach vielen Generationen und Jahrhunderten, ist die Bezeichnung "Krzyżak" (Kreuzritter) Schimpfwort und Schreckgespenst für jeden Polen und wird leider nur allzu oft von alters her mit dem Deutschtum identifiziert. ‑ Aus dem Siedlungsgebiet der "Kreuzritter" sind später jene Preußen hervorgegangen, die alles Deutsche in polnischen Landen in allgemeinen Verruf brachten. Sie sind in der geschichtlichen Entwicklung repräsentiert durch folgende Namen: jener Albrecht von Preußen, Friedrich der sog. Große, Bismarck und schließlich Hitler als Endpunkt.
Friedrich II. wird seit jeher vom ganzen polnischen Volk als der Haupturheber der Teilung Polens angesehen, und zweifellos nicht ganz zu Unrecht. Hundertfünfzig Jahre lebte das polnische Millionenvolk aufgeteilt von den drei damaligen Großmächten: Preußen, Rußland und Österreich, bis es 1918 am Ende des Ersten Weltkrieges langsam aus seinem Grabe hervorkommen konnte; bis zum äußersten geschwächt, begann es damals wieder unter größten Schwierigkeiten eine neue eigenstaatliche Existenz...
Nach kurzer Unabhängigkeit von etwa 20 Jahren (1918 bis 1939) brach über das polnische Volk ohne seine Schuld das herein, was man euphemistisch einfach als Zweiten Weltkrieg bezeichnet, was aber für uns Polen als totale Vernichtung und Ausrottung gedacht war. Über unser armes Vaterland senkte sich eine furchtbare finstere Nacht, wie wir sie seit Generationen nicht erlebt hatten. Sie wird bei uns allgemein "deutsche Okkupationszeit" genannt und ist unter diesem Namen in die polnische Geschichte eingegangen. Wir waren alle macht‑ und wehrlos. Das Land war übersät mit Konzentrationslagern, in denen die Schlote der Krematorien Tag und Nacht rauchten. Über sechs Millionen polnischer Staatsbürger, darunter der Großteil jüdischer Herkunft, haben diese Okkupationszeit mit ihrem Leben bezahlen müssen. Die führende polnische Intelligenzschicht wurde einfach weggefegt. Zweitausend polnische Priester und fünf Bischöfe (ein Viertel des damaligen Episkopates) wurden in Lagern umgebracht. Hunderte von Priestern und Zehntausende von Zivilpersonen wurden bei Ausbruch des Krieges an Ort und Stelle erschossen (778 Priester allein in der Diözese Kulm). Die Diözese Wloctawek allein verlor im Kriege 48 Prozent ihrer Priester, die Diözese Kulm 47 Prozent. Viele andere waren ausgesiedelt. Alle Mittel‑ und höheren Schulen waren geschlossen. Die Priesterseminarien waren aufgehoben. Jede deutsche Uniform, nicht nur die SS, wurde für alle Polen nicht nur ein Schreckgespenst, sondern auch Gegenstand eines Deutschenhasses. Alle polnischen Familien hatten ihre Todesopfer zu beklagen. Wir wollen nicht alles aufzählen, um die noch nicht vernarbten Wunden nicht wieder aufzureißen. Wenn wir an diese polnische, furchtbare Nacht erinnern, dann nur deswegen, damit man uns heute einigermaßen versteht, uns selbst und unsere heutige Denkart... Wir versuchen zu vergessen. Wir hoffen, daß die Zeit ‑ der große göttliche Kairos ‑ die geistigen Wunden langsam heilen wird.
Nach alledem, was in der Vergangenheit geschehen ist ‑ leider erst in der allerneuesten Vergangenheit ‑, ist es nicht zu verwundern, daß das ganze polnische Volk unter dem schweren Druck eines elementaren Sicherheitsbedürfnisses steht und seinen nächsten Nachbarn im Westen immer noch mit Mißtrauen betrachtet. Diese geistige Haltung ist sozusagen unser Generationsproblem, das, Gott gebe es, bei gutem Willen schwinden wird und schwinden muß. In den schweren politischen und geistigen Nöten des Volkes, in seiner jahrhundertelangen Zerrissenheit sind die katholische Kirche und die Heilige Jungfrau immer der Rettungsanker und das Symbol der nationalen Einheit des Volkes geblieben, zusammen mit der polnischen Familie. In allen Freiheitskämpfen während der Unterdrückungszeit gingen die Polen mit diesen Symbolen auf die Barrikaden, die weißen Adler auf der einen Seite ‑ die Muttergottes auf der anderen Seite der Freiheitsfahne. Die Devise war immer: "Für eure und unsere Freiheit."
Das ist etwa ‑ in ganz allgemeinen Abrissen gezeichnet ‑ die tausendjährige Entwicklung der polnischen Kulturgeschichte mit besonderer Berücksichtigung der deutsch‑polnischen Nachbarschaft. Die Belastung der beiderseitigen Verhältnisse ist immer noch groß und wird vermehrt durch das sogenannte "heiße Eisen" dieser Nachbarschaft. Die polnische Westgrenze an Oder und Neiße ist, wie wir wohl verstehen, für Deutschland eine äußerst bittere Frucht des letzten Massenvernichtungskrieges ‑ zusammen mit dem Leid der Millionen von Flüchtlingen und vertriebenen Deutschen (auf interalliierten Befehl der Siegermächte ‑ Potsdam 1945! ‑ geschehen). Ein großer Teil der Bevölkerung hatte diese Gebiete aus Furcht vor der russischen Front verlassen und war nach dem Westen geflüchtet. ‑ Für unser Vaterland, das aus dem Massenmorden nicht als Siegerstaat, sondern bis zum äußersten geschwächt hervorging, ist es eine Existenzfrage (keine Frage "größeren Lebensraumes"!); es sei denn, daß man ein über 30‑Millionen‑Volk in den engen Korridor eines "Generalgouvernements" von 1939 bis 1945 hineinpressen wollte ‑ ohne Westgebiete; aber auch ohne Ostgebiete, aus denen seit 1945 Millionen von polnischen Menschen in die "Potsdamer Westgebiete" hinüberströmen mußten. Wo sollten sie auch damals hin, da ja das sogenannte Generalgouvernement zusammen mit der Hauptstadt Warschau in Schutt und Trümmern lag. Die Vernichtungswellen des letzten Krieges sind nicht nur einmal, wie in Deutschland, sondern seit 1914 mehrere Male über die polnischen Lande hinweggebraust, und zwar hin und zurück wie apokalyptische Reiter, und haben jedesmal Schutt und Trümmer, Armut, Krankheit, Seuchen und Tränen und Tod und wachsende Vergeltungs‑ und Haßkomplexe hinterlassen.
Seid uns wegen dieser Aufzählung dessen, was im letzten Abschnitt unserer tausend Jahre geschehen ist, liebe deutsche Brüder, nicht gram! Es soll weniger eine Anklage als vielmehr eine eigene Rechtfertigung sein! Wir wissen sehr wohl, wie ganz große Teile der deutschen Bevölkerung jahrelang unter übermenschlichem nationalsozialistischem Gewissensdruck standen, wir kennen die furchtbaren inneren Nöte, denen seinerzeit rechtschaffene und verantwortungsvolle deutsche Bischöfe ausgesetzt waren, um nur die Namen Kardinal von Faulhaber, von Galen, von Preysing zu erwähnen. Wir wissen um die Märtyrer der weißen Rose, die Widerstandskämpfer des 20. Juli, wir wissen, daß viele Laien und Priester ihr Leben opferten (Lichtenberg, Metzger, Klausener und viele andere). Tausende von Deutschen teilten als Christen und Kommunisten in den Konzentrationslagern das Los unserer polnischen Brüder...
Und trotz alledem, trotz dieser fast hoffnungslos mit Vergangenheit belasteten Lage, gerade aus dieser Lage heraus, hochwürdige Brüder, rufen wir Ihnen zu: Versuchen wir zu vergessen! Keine Polemik, kein weiterer kalter Krieg, aber der Anfang eines Dialogs, wie er heute vom Konzil und von Papst Paul Vl. überall angestrebt wird. Wenn echter guter Wille beiderseits besteht ‑ und das ist wohl nicht zu bezweifeln ‑, dann muß ja ein ernster Dialog gelingen und mit der Zeit gute Früchte bringen ‑ trotz allem, trotz heißer Eisen. ‑ Es scheint uns gerade im ökumenischen Konzil ein Gebot der Stunde zu sein, daß wir diesen Dialog auf bischöflicher Hirtenebene beginnen, und zwar ohne Zögern, daß wir einander näher kennenlernen, unsere gegenseitigen Volksbräuche, den religiösen Kult und Lebensstil, in der Vergangenheit verwurzelt und gerade durch diese Kulturvergangenheit bedingt.
Wir haben versucht, uns mit dem gesamten polnischen Gottesvolk auf die Tausendjahrfeier durch die sogenannte große Novene unter dem hohen Patronat der allerseligsten Jungfrau Maria vorzubereiten. Neun Jahre hindurch (1957 bis 1965) haben wir im Sinne des "per Mariam ad Jesum" die Kanzel in Polen, aber auch die gesamte Seelsorge auf wichtige moderne Seelsorgeprobleme und soziale Aufgaben eingesetzt: Jugendseelsorge, sozialer Aufbau in Gerechtigkeit und Liebe, soziale Gefahren, nationale Gewissenserforschung, Ehe und Familienleben, katechetische Aufgaben und ähnliche.
Das ganze gläubige Volk nahm auch geistig regsamsten Anteil am Ökumenischen Konzil durch Gebet, Opfer und Bußwerke. Während der Konzilssitzungen fanden jeweils in allen Pfarrgemeinden Bittandachten statt, und das heilige Bild der Muttergottes sowie die Beichtstühle und Kommunionbänke in Częstochowa waren wochenlang belagert von Pfarrdelegationen aus ganz Polen, die durch persönliches Opfer und Gebet helfen wollten.
Schließlich haben wir uns in diesem Jahr, dem letzten der großen Novene, alle der Mutter Gottes geweiht, Bischöfe, Priester, Ordensleute sowie alle Stände unseres gläubigen Volkes. Vor den ungeheuren Gefahren moralischer und sozialer Art, welche die Seele unseres Volkes, aber auch seine biologische Existenz bedrohen, kann uns nur die Hilfe und Gnade unseres Erlösers retten, die wir durch die Vermittlung seiner Mutter, der allerseligsten Jungfrau, herabflehen wollen. Voll kindlichen Vertrauens werfen wir uns in ihre Arme. Nur so können wir innerlich frei werden als dienende und zugleich freie Kinder ‑ ja sogar als "Sklaven Gottes", wie es der heilige Paulus nennt.
Wir bitten Sie, katholische Hirten des deutschen Volkes, versuchen Sie auf Ihre eigene Art und Weise, unser christliches Millenium mitzufeiern, sei es durch Gebet, sei es durch einen besonderen Gedenktag. Für jede Geste dieser Art werden wir Ihnen dankbar sein. Überbringen Sie auch, wir bitten Sie darum, unsere Grüße und unseren Dank den deutschen evangelischen Brüdern, die sich mit uns und mit Ihnen abmühen, Lösungen für unsere Schwierigkeiten zu finden.
In diesem allerchristlichsten und zugleich sehr menschlichen Geist strecken wir unsere Hände zu Ihnen hin in den Bänken des zu Ende gehenden Konzils, gewähren Vergebung und bitten um Vergebung. Und wenn Sie, deutsche Bischöfe und Konzilsväter, unsere ausgestreckten Hände brüderlich erfassen, dann erst können wir wohl mit ruhigem Gewissen in Polen auf ganz christliche Art unser Millennium feiern. Wir laden Sie dazu herzlichst nach Polen ein.
Das walte der barmherzige Erlöser und die Jungfrau Maria, die Königin Polens, die Regina Mundi und Mater Ecclesiae.
Rom, 18. November 1965
Die Unterzeichner des polnischen Briefes:
Stefan Cardinalis Wyszyliski, Primas Poloniae Antonius Baraniak, Archiepiscopus Posnaniensis Bolesiaw Kominek, Archiepp. Tit. in Wrociaw Carolus Wojtyla, Archiepiscopus Metropolita Cracoviensis Antono Pawlowski, Episcopus Vladislaviensis Casimirus Joseph Kowalski, Episcopus Culmensis Michael Klepacz, Episcopus Lodzensis, Ord. Czestaw Falkowski, Episcopus Lomzensis Petrus Kalwa, Episcopus Lublinensis Franciscus Jop, Episcopus in Opole Herbertus Bednorz, Episcopus Coadiutor Katovicensis Stefan Barela, Episcopus Czestochoviensis Bogdan Sikorski, Episcopus Plocensis Edmund Nowicki, Episcopus Gedanensis Joannes Jaroszewicz, Admin. Apost. Kielcensis Jerzy Ablewicz, Episcopus Tarnovlensis Joseph Drzazga, Episcopus Vic. co. p. Olsztyn Stanistaw Jakiel, Vic. Cap. Przemygl Andrzej Wronka, Episcopus Auxil. in Wroclaw Venceslaus Majewski, Episcopus Auxil. Varsaviensis Georgius Stroba, Episcopus Auxil. in Gorzöw Franciscus Jedwabski, Episcopus Auxil. in Pozriafi Julianus Groblicki, Episcopus Auxil. Cracoviensis Carolus Pgkala, Episcopus Auxil. in Tarnöw Zygfryd Kowalski, Episcopus Auxil. Culmensis Georgius Modzelewski, Episcopus Auxil. Varsaviensis Jan Wosifiski, Episcopus Auxil. Plocensis Bogdan Bejze, Episcopus Auxil. Lodzensis Thaddaeus Szyagrzyk, Episcopus Auxil. Czestochoviensis Venceslaus Skomorucha, Episcopus Auxil. in Siedlce Jan Zargba, Episcopus Auxil. Vladislaviensis Henricus Grzondziel, Episcopus Auxil. in Opole Joseph Kurpas, Episcopus Auxil. Katovicensis Ladislaus Rubin, Episcopus Auxil. Gnesnensis Paulus Latusek, Episcopus Auxil. in Wroclaw Joannes Czerniak, Episcopus Auxil. in Gnienzno
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Die Antwort der deutschen Bischöfe an die polnischen Bischöfe vom 5. Dezember 1965
Hochwürdigste Mitbrüder im bischöflichen Amt!
Mit Bewegung und Freude haben wir Ihre Botschaft vom 18. November dieses Jahres und Ihre freundliche Einladung zur Tausendjahrfeier der Christianisierung des polnischen Volkes empfangen. Wir betrachten es als eine kostbare Frucht unserer gemeinsamen Konzilsarbeit, daß Sie dieses Wort an uns richten konnten. Dankbar greifen wir es auf und hoffen, den begonnenen Dialog in Polen und in Deutschland miteinander fortsetzen zu können. Mit Gottes Hilfe wird dieses Gespräch die Brüderlichkeit zwischen dem polnischen und dem deutschen Volk fördern und festigen.
Wir sind uns bewußt, wie schwer es für viele Christen in Europa war und noch ist, nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges die fundamentale Wahrheit unseres Glaubens mit ganzem Herzen festzuhalten, daß wir Kinder des himmlischen Vaters und Brüder in Christus sind. Diese christliche Brüderlichkeit fand im Jahre 1948 beim Kölner Domjubilämn durch den Besuch französischer und englischer Kardinäle und Bischöfe ihren ersehnten Ausdruck. So möge auch im kommenden Jahr das Millenium der Taufe Polens ein solches Zeichen werden.
Sie haben uns in Ihrem Schreiben, ehrwürdige Brüder, in Erinnerung gerufen, mit wie vielen Banden das polnische Volk seit Jahrhunderten an das christliche Europa gebunden ist und welche Rolle es in der Geschichte dieses christlichen Europa gespielt hat ‑ und so, so hoffen wir, auch weiterhin spielen wird. Sie hatten dabei die Großherzigkeit, aus all diesen Jahrhunderten zunächst und vor allem Beispiele zu erwähnen, die sowohl Ihrem wie auch unserem Volke zur Ehre gereichen, Beispiele gemeinsamer Arbeit, aufrichtiger Achtung, fruchtbaren Austausches und gegenseitiger Förderung, obwohl dies alles hätte zurücktreten können angesichts des Unrechts und des Leides, das das polnische Volk im Laufe der Geschichte zu tragen hatte. Es ist ein tröstlicher Hinweis auf die von uns erhoffte und mit allen Mitteln zu erstrebende Zukunft, wenn Sie uns daran erinnern, wie die polnische Kirche im Mittelalter über alle Grenzen hinweg mit deutschen Städten, Gemeinden und Orden in vielfältigem Austausch gestanden hat. Es berührt uns tief, daß wir in der Verehrung der heiligen Hedwig vereint sind, die deutschen Geblütes und doch ‑ wie Sie schreiben ‑ die größte Wohltäterin des polnischen Volkes im 13. Jahrhundert war. Diese hellen Seiten des polnisch‑deutschen Verhältnisses in der Geschichte verdanken wir ohne Zweifel unserem gemeinsamen christlichen Glauben. Wir sind daher überzeugt und mit Ihnen, ehrwürdige Brüder, darin einig: Wenn wir über alle Unterschiede hinweg Brüder Christi sein wollen, wenn wir Bischöfe, wie es bei diesem Konzil deutlich wurde, zuerst und vor allem das Kollegium der Hirten sein wollen, die dem einen Volke Gottes dienen, und wenn wir so auch unsere Teilkirchen führen, dann müssen die Schatten weichen, die leider noch immer über unseren beiden Völkern liegen.
Furchtbares ist von Deutschen und im Namen des deutschen Volkes dem polnischen Volke angetan worden. Wir wissen, daß wir Folgen des Krieges tragen müssen, die auch für unser Land schwer sind. Wir verstehen, daß die Zeit der deutschen Besatzung eine brennende Wunde hinterlassen hat, die auch bei gutem Willen nur schwer heilt. Um so mehr sind wir dankbar, daß Sie angesichts dieser Tatsache mit wahrhaft christlicher Großmut anerkennen, wie in der Zeit des Nationalsozialismus auch ein großer Teil der deutschen Bevölkerung unter schwerem Gewissensdruck gestanden hat. Wir sind dankbar, daß Sie auch angesichts der Millionen polnischer Opfer jener Zeit sich an die Deutschen erinnern, die dem Ungeist widerstanden und zum Teil ihr Leben hingegeben haben. Es ist uns ein Trost, daß viele unserer Priester und Gläubigen in jener Nacht des Hasses betend und opfernd für das entrechtete polnische Volk eingetreten sind und für diese christliche Liebe Gefängnis und Tod auf sich genommen haben. Wir sind dankbar, daß Sie neben dem unermeßlichen Leid des polnischen Volkes auch des harten Loses der Millionen vertriebener Deutscher und Flüchtlinge gedenken.
Eine Aufrechnung von Schuld und Unrecht ‑ darin sind wir einer Meinung ‑ kann uns freilich nicht weiterhelfen. Wir sind Kinder des gemeinsamen himmlischen Vaters. Alles menschliche Unrecht ist zunächst eine Schuld vor Gott, eine Verzeihung muß zunächst von ihm erbeten werden. An ihn richtet sich zuerst die Vaterunserbitte "Vergib uns unsere Schuld!" Dann dürfen wir auch ehrlichen Herzens um Verzeihung bei unseren Nachbarn bitten. So bitten auch wir zu vergessen, ja wir bitten zu verzeihen. Vergessen ist eine menschliche Sache. Die Bitte um Verzeihung ist ein Anruf an jeden, dem Unrecht geschah, dieses Unrecht mit den barmherzigen Augen Gottes zu sehen und einen neuen Anfang zuzulassen.
Dieser Anfang ist besonders belastet durch die bitteren Folgen des von Deutschland begonnenen und verlorenen Krieges. Millionen von Polen mußten aus dem Osten in die ihnen zugewiesenen Gebiete übersiedeln. Wir wissen wohl, was darum für das heutige Polen diese Gebiete bedeuten. Aber auch Millionen Deutsche mußten ihre Heimat verlassen, in der ihre Väter und Vorfahren lebten. Diese waren nicht als Eroberer in das Land gezogen, sondern im Laufe der Jahrhunderte durch die einheimischen Fürsten gerufen worden. Deshalb müssen wir Ihnen in Liebe und Wahrhaftigkeit sagen: Wenn diese Deutschen von "Recht auf Heimat" sprechen, so liegt darin ‑ von einigen Ausnahmen abgesehen ‑ keine aggressive Absicht. Unsere Schlesier, Pommern und Ostpreußen wollen damit sagen, daß sie Rechtens in ihrer alten Heimat gewohnt haben und daß sie dieser Heimat verbunden bleiben. Dabei ist ihnen bewußt, daß dort jetzt eine junge Generation heranwächst, die das Land, das ihren Vätern zugewiesen wurde, ebenfalls als ihre Heimat betrachtet. Christliche Liebe versucht, sich jeweils in die Sorgen und Nöte des anderen hineinzuversetzen und so Spannungen und Grenzen zu überwinden. Sie will den Ungeist des Hasses, der Feindschaft und des Revanchismus ausmerzen. So wird sie dazu beitragen, daß alle unseligen Folgen des Krieges in einer nach allen Seiten befriedigenden und gerechten Lösung überwunden werden. Sie dürfen überzeugt sein, daß kein deutscher Bischof etwas anderes will und jemals etwas anderes fördern wird als das brüderliche Verhältnis beider Völker in voller Aufrichtigkeit und ehrlichem Dialog.
Zu solcher Brüderschaft des guten Willens kann uns die Erfahrung des Konzils Mut machen. Auch beim Konzil waren die Wege nicht immer überschaubar. Nicht immer leuchtete das Ziel klar und deutlich, und oft standen die Väter zögernd an Wegkreuzungen, aber dann wurde uns durch Gottes Gnade ein Weg gezeigt und manchmal eine überraschende Lösung geschenkt. So hoffen wir mit Ihnen, daß Gott auch unseren beiden Völkern in Zukunft Lösungen zeigen wird, wenn wir ihm Beweise unseres guten Willens geben. Als Zeichen unseres guten Willens, ehrwürdige Brüder, wollen wir, in aufrichtiger Dankbarkeit für Ihre Einladung, als Pilger zu Ihrem Marienheiligtum nach Tschenstochau kommen und Anteil nehmen an Ihrer und Ihres ganzen Volkes Freude. Wir wollen mit Ihnen an den Heiligtümern beten, wo das polnische Volk sich oft und besonders in der heutigen Zeit Kraft und Segen von Gott erbittet. Wir versprechen, unsere Gläubigen aufzufordern, sich im kommenden Marienmonat mit unserem und Ihrem Gebet zu vereinen.
Wir wollen alles tun, daß diese Verbindung nicht mehr abreißt. Im Jahr 1968 wird der Deutsche Katholikentag in Essen stattfinden. Im gleichen Jahr begeht das Bistum Meißen die Tausendjahrfeier seiner Gründung. Es wäre für uns und unsere Gläubigen eine große Freude, bei diesen Gelegenheiten polnische Bischöfe begrüßen zu dürfen. Bei unseren Einladungen haben wir mit Ihnen den Wunsch, daß die Begegnung der Bischöfe und der begonnene Dialog sich fortsetzen möge in allen Lebensbereichen unserer beiden Völker. Alle Schritte, die diesem Ziel dienen können, werden wir von Herzen begrüßen. Darum erfüllen wir auch mit Freude Ihre Bitte, Ihren besonderen Gruß unseren evangelischen Brüdern in Deutschland zu übermitteln. Darüber hinaus dürfen wir uns in unseren Bemühungen um gegenseitiges Verständnis einig wissen mit allen Menschen guten Willens.
Hochwürdigste Brüder! Das Konzil hat uns zusammengeführt an heiliger Stätte zu gemeinsamer Arbeit und gemeinsamem Gebet. Die Grotten von St. Peter bergen die kleine Kapelle der Tschenstochauer Madonna. Dort fanden wir auch das Bild der heiligen Hedwig, die Ihr Volk besonders verehrt und die Sie "als den besten Ausdruck eines christlichen Brückenbaues zwischen Polen und Deutschland" ansehen.
Von dieser großen Heiligen wollen wir lernen, uns in Ehrfurcht und Liebe zu begegnen. Am Schluß Ihres Schreibens stehen die kostbaren Worte, die für unsere beiden Völker eine neue Zukunft eröffnen können: "Wir strecken unsere Hände zu Ihnen hin in den Bänken des zu Ende gehenden Konzils, gewähren Vergebung und bitten um Vergebung." Mit brüderlicher Ehrfurcht ergreifen wir die dargebotenen Hände. Der Gott des Friedens gewähre uns auf die Fürbitte der "regina pacis", daß niemals wieder der Ungeist des Hasses unsere Hände trenne!
Rom, 5. Dezember 1965
Die Namen der deutschen Unterzeichner:
Jos. Card. Frings, Erzbischof von Köln Julius Card. Döpfner, Erzbischof von München und Freising Lorenz Card. Jaeger, Erzbischof von Paderborn Josef Schneider, Erzbischof von Bamberg Hermann Schäufele, Erzbischof von Freiburg Alfred Bengsch, Erzbischof, Bischof von Berlin Joseph Schröffer, Bischof von Eichstätt Franz Hengsbach, Bischof von Essen Adolf Bolte, Bischof von Fulda Hermann Volk, Bischof von Mainz Rudolf Graber, Bischof von Regensburg Isidor Marcus Emanuel, Bischof von Speyer Carl Jos. Leiprecht, Bischof von Rottenburg Josef Stangl, Bischof von Würzburg Wilhelm Kempf, Bischof von Limburg Matthias Wehr, Bischof von Trier Josef Stimpfle, Bischof von Augsburg Heinrich Maria Janssen, Bischof von Hildesheim Helmut Hermann Wittler, Bischof von Osnabrück Johannes Pohlschneider, Bischof von Aachen Otto Spülbeck, Bischof von Meißen > Joseph Höffner, Bischof von Münster Gerhard Schaffran, Bischof und Kapitelsvikar in Görlitz Heinrich Pachowiak, Weihbischof in Hildesheim Walter Kampe, Weihbischof in Limburg Johannes v. RudIoff, Weihbischof in Hamburg Augustinus Frotz, Weihbischof in Köln Eduard Schick, Weihbischof in Fulda Hugo Aufderbeck, Weihbischof in Erfurt Joseph Buchkremer, Weihbischof in Aachen Heinrich Tenhumberg, Weihbischof in Münster i.W. Alfons Kempf, Weihbischof in Würzburg Julius Angerhausen, Weihbischof in Essen Karl Gnädinger, Weihbischof in Freiburg Joseph Zimmermann, Weihbischof in Augsburg Carl Schmidt, Weihbischof in Trier FriedrichRintelen,WeihbischofinMagdeburg >r Josephus Hiltl, Weihbischof in Regensburg Wilhelm Cleven, Weihbischof in Köln Bernardus Stein, Weihbischof in Trier Bernhard Schräder, Weihbischof in Schwerin K Josef Maria Reuss, Weihbischof in Mainz
Museum und Gedenkstätte Sachsenhausen, November1988
In ehrendem Gedenken
an die 183 Professoren
der Jagiellonen-Universität und
anderer Hochschulen von Krakau,
an die hervorragenden Vertreter
der polnischen Wissenschaft und Kultur,
die am 6. November 1939 in Krakau
von den Hitlerfaschisten verhaftet
und ins Konzentrationslager Sachsenhausen
eingeliefert wurden.
Schutzrat für Kampf und Märtyrerdenkmäler der VR Polen (ROPWiM)
Nationale Mahn- und Gedenkstätte (IPN)
Sachsenhausen, VI. 1988
Ein Memorandum. Heidelberg, im Februar 1989
Von Sophinette Becker, Erhard Eppler, Dietrich Goldschmidt, Franz von Hammerstein, Wolfgang Huber, Klaus Käpplinger, Horst Krautter, Hartmut Lenhard, Wolfgang Raupach, Klaus von Schubert und Wolfram Wette
Fünfzig Jahre, nachdem die Regierung des Deutschen Reiches den Zweiten Weltkrieg entfesselte, ist es an der Zeit, unser Verhältnis zur Sowjetunion, ihren Völkern und Bürgern zu überdenken. In die Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik Deutschland ist Bewegung gekommen. Die Verfasser wollen, daß diese Entwicklung zu gemeinsamer Sicherheit und zur Zusammenarbeit an den globalen Aufgaben unserer Zeit führt. Dazu ist nötig, daß die Deutschen die Last der Schuld der Jahre 1933 bis 1945 es gegenüber der Sowjetunion samt ihrer Vorgeschichte und ihren Nachwirkungen auf sich nehmen und ein tieferes Verständnis für die Geschichte der Sowjetunion und den gegenwärtigen Umbruch in diesem großen Land gewinnen. Für diesen neuen Anfang ist es höchste Zeit.
1. Warum so spät?
Unmittelbar nach der Zerstörung des „Dritten Reiches“ begannen viele Deutsche, über die eigene Geschichte, über das Verhältnis zu den Nachbarvölkern, über den Angriffskrieg und den Völkermord nachzudenken. Doch die meisten waren froh, davongekommen zu sein, und ganz damit beschäftigt, im Alltag zu überleben. Der Angriffs- und Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion wurde auch von denen kaum kritisch reflektiert, die einen neuen politischen Anfang versuchten. Zu sehr hatten leidvolle Erfahrungen, vor allem in den letzten Kriegsmonaten, das Bewußtsein der deutschen Soldaten und der Zivilbevölkerung im Osten des Reiches geprägt und alten Vorurteilen und Ängsten neue Nahrung gegeben. Mit Beginn des Kalten Krieges nahm die Mehrheit der Deutschen im Westen spürbar erleichtert das trügerische Angebot an, in der Frontstellung gegen den östlichen „Totalitarismus“ nachzuholen, was an Widerstand gegen den totalitären Nationalsozialismus versäumt worden war.
Die Angst vor dem Bolschewismus entstand unmittelbar nach der Russischen Revolution 1917. Noch im Ersten Weltkrieg mischte sich kriegsbedingt Hetze gegen Rußland mit der Abwehr revolutionärer Bestrebungen, besonders des Bolschewismus. Daraus entstand das Grundmuster jenes Feindbildes, das während des „Dritten Reiches“ zum Schreckbild von der Sowjetunion als dem „Weltfeind Nr. 1“ verstärkt wurde. In den zwei Jahren des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspacktes wurde es in der Propaganda vermieden. Seit Beginn des Rußlandkrieges lieferte dieses Feindbild die politischen Hauptlosungen und diente zusammen mit den rassistischen Parolen vom „Untermenschen“ zur Rechtfertigung jeglicher Barbarei.
Die stalinistische Gleichschaltung der Staaten östlich des Eisernen Vorhangs verstärkte und festigte dieses Bild. Die Furcht vor dem militärischen Koloß, der die Länder seines erweiterten Herrschaftsbereichs rücksichtslos unterwarf, erschwerte eine selbstkritische Aufarbeitung der deutsch-sowjetischen Beziehungen. Umdenken gegenüber dem Osten erschien als unangemessene und schädliche Selbstbezichtigung, ja als defätistische Verweigerung.
Seit den fünfziger Jahren prägte dieses Feindbild die Politik der Bundesrepublik Deutschland und diente zur Rechtfertigung der Wiederaufrüstung. In der Bundesrepublik wurde nicht zur Kenntnis genommen oder aus dem Bewußtsein verdrängt, daß die deutsche Regierung 1941 den Überfall befohlen und aus der Absicht der Ausplünderung des Landes und dauernder Versklavung der Bevölkerung keinen Hehl gemacht hatte.
Vielen Nachwachsenden blieb verborgen, was in fast jeder sowjetischen Familie als traumatische Erfahrung nachwirkte: der Tod von zwanzig Millionen Menschen, darunter von 3,3 Millionen Kriegsgefangenen und von unzähligen Zivilpersonen; die Vernichtung von mehr als tausend Städten und Zehntausenden von Dörfern im europäischen Rußland. Eher hören die Nachgeborenen vom Kampf deutscher Soldaten gegen die seit Stalingrad überlegene Rote Armee; und sie hören von den Leiden der über drei Millionen deutschen Kriegsgefangenen, von denen etwa zwei Millionen zurückgekehrt sind. Schließlich erfuhren sie von den oft schrecklichen Erfahrungen, die Millionen Deutsche in der Folge des Sieges der Sowjetunion machten. Flucht, Vertreibung und Aussiedlung aus den Ostprovinzen des Deutschen Reiches und später das Schicksal der Deutschen, die die Sowjetische Besatzungszone und dann die DDR verließen, haben das Schreckbild von der Sowjetunion aufrechterhalten.
Auch die Kirchen hatten teil an der herrschenden Verdrängung. Erste Schritte zur Versöhnung und gegenseitigem Verständnis zwischen einzelnen Persönlichkeiten des kirchlichen Lebens bei uns und den Kirchen in der Sowjetunion stießen weithin auf Unverständnis und Ablehnung. Deshalb blieb auch das Schuldbekenntnis im Darmstädter „Wort des Bruderrates der Evangelischen Kirche in Deutschland zum politischen Weg unseres Volkes“ 1947 in der Bundesrepublik ohne Echo.
Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR im Jahre 1955 änderte nur wenig am Bild der Sowjetunion. Entspannungsbemühungen seit Mitte der sechziger Jahre führten zum Abschluß des Moskauer Vertrages am 12. August 1970. Die Mehrheit der Deutschen in der Bundesrepublik begrüßte den Vertrag, verstand ihn allerdings eher als späten Tribut an die politische Wirklichkeit denn als Anlaß zu grundsätzlichem Umdenken.
Eine Initiative, wie sie die Evangelische Kirche in Deutschland 1965 mit der Denkschrift über „Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn“ ergriff, gab es gegenüber der Sowjetunion nicht, auch nicht eine symbolische Geste wie die des knienden Bundeskanzlers Willy Brandt anläßlich der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Vertrages am 7. Dezember 1970 in Warschau. Die Sowjetunion blieb auch nach dem Moskauer Vertrag eine für die meisten Menschen in der Bundesrepublik fremde, bedrohliche Weltmacht.
Für die Menschen in
der Sowjetunion, ihr Leid, ihre Erinnerungen und Ängste bestand kaum Interesse.
Daher wurde nicht wahrgenommen, daß jeglicher Rüstungsschritt der
Bundesrepublik in der Sowjetunion Sorge vor erneuter Aggression auslöst. Als um
1980 die neue Konfrontation der Großmächte die Entspannungspolitik überlagerte
und zu ersticken drohte, konnte das alte Feindbild erneut zur Rechtfertigung des
Wettrüstens benutzt werden.
2. Warum gerade jetzt?
Erst seit Mitte der achtziger
Jahre bieten sich erneut Chancen für einen grundlegenden Wandel. Bundespräsident
Richard von Weizsäcker hat am 8. Mai 1985 an unsere Haftung für die
Vergangenheit erinnert und als zentrale Aufgabe deutscher Politik den Ausgleich,
die Entspannung und die friedliche Nachbarschaft mit den Völkern im Osten
genannt. Generalsekretär Michail Gorbatschow hat eine politische und
gesellschaftliche Reform der Sowjetunion eingeleitet und überraschende
außenpolitische Initiativen ergriffen. Erste Schritte, die die Bereitschaft zum
Abbau der Überrüstung signalisieren, sind getan. Regierungen und
Wirtschaftsunternehmen verstärken ihre Kontakte, Städtepartnerschaften und
organisierter Kulturaustausch nehmen zu. Nicht zuletzt fördern mittlerweile
zahlreiche Reisen von Bundesbürgern in die Sowjetunion Kenntnis voneinander und
Verständnis füreinander. Freilich beginnt erst seit der Politik der Transparenz
("Glasnost") und der Umgestaltung der Gesellschaft ("Perestroika") die Vielfalt
der Sowjetunion, ihrer Völker und Menschen in unser Blickfeld zu treten.
Eine neue Generation gibt sich nicht mehr mit einseitig verarbeiteten
Erfahrungen und alten Vorurteilen zufrieden. Angeregt durch die
Friedensforschung, hat die Friedensbewegung Herkunft, Funktionen und Formen der
Verbreitung des Feindbildes von der Sowjetunion beschrieben. Eine deutliche
Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik hat begonnen, die
Signale des Friedenswillens der gegenwärtigen sowjetischen Führung ernst zu
nehmen, und drängt auf konstruktive Antworten des Westens. Das Konzept der
Palme-Kommission für eine gemeinsame Sicherheit von Ost und West, das auch die
sowjetische Führung gutheißt, scheint einen weiterführenden Weg zu weisen: Abbau
der Bedrohungsvorstellungen, Umbau zu defensiven Militärstrukturen und spürbare
Verminderung der Militärpotentiale. Ihre Geschichte und ihre besonderen
Beziehungen zur Sowjetunion verpflichten die Bundesrepublik dazu, diesen Prozeß
voranzutreiben.
Der Deutsche Evangelische Kirchentag 1987 in Frankfurt nahm mit dem Thema
"Versöhnung mit den Völkern der Sowjetunion" Initiativen christlicher
Friedensgruppen auf. Im Januar 1988 wandten sich der Bund der Evangelischen
Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik und der Rat der Evangelischen
Kirche in Deutschland mit einem gemeinsamen Wort "Versöhnung und Verständigung"
an die Gemeinden in Ost und West und erinnerten an die deutsche Schuld gegenüber
den Menschen der Sowjetunion. Die Tausendjahrfeier der Christianisierung
Rußlands 1988 hat Wahrnehmung und Bild von der Sowjetunion weiter verändert.
Die Kategorien "Schuld" und "Vergebung" beziehen sich auf Personen, nicht auf politische Kollektive. Doch es gibt geschichtliche Schuld, der sich auch die Nachgeborenen - ohne daß sie selbst schuldig geworden sind - nicht entziehen können und für deren Folgen sie haften. Die historischen, moralischen und religiösen Dimensionen der Politik müssen ernst genommen werden, denn auf ihnen beruhen letztlich Vertrauenswürdigkeit und Glaubhaftigkeit einer auf Dauer angelegten Friedenspolitik.
Die Sowjetunion hat nie ein pauschales deutsches Schuldbekenntnis angemahnt. Sie hat zwischen "Deutschen" und "Faschisten" unterschieden. Sie hat allerdings Folgerungen aus dem Krieg gezogen und auf territoriale Sicherheit - so durch die Aneignung des Nordens Ostpreußens - und auf Entschädigung Wert gelegt. Betroffen waren vor allem die Deutschen, die dadurch ihre Heimat verloren, und die Sowjetische Besatzungszone, später die DDR, die die Reparationen aufbringen mußten.
Es ist bedrückend, daß von deutscher Seite ein klares Eingeständnis der Schuld ausgeblieben ist. Ohne Bekenntnis der Schuld und ohne Hoffnung auf Versöhnung kann Verantwortung für den Frieden nicht glaubhaft übernommen werden.
Ein neuer
Anfang im Verhältnis der Deutschen zur Sowjetunion verlangt dreierlei:
den Mut zur Aufklärung über die Vergangenheit,
die vorurteilsfreie Beschäftigung mit den politischen und ideologischen
Gegensätzen der Gegenwart und die Mitwirkung an den gemeinsamen
Zukunftsaufgaben.
2. Aufklärung über die Vergangenheit
In jüngster Zeit haben deutsche Historiker und Publizisten die Verbrechen, die während des "Dritten Reiches" von Deutschen begangen wurden, mit Verbrechen in der Sowjetunion zur Zeit der Herrschaft Stalins verglichen oder verknüpft. Der darüber entbrannte Historikerstreit hat exemplarische Bedeutung. Denn in dem historisch irreführenden Versuch, die deutschen Verbrechen ursächlich auf diejenigen des Stalinismus zurückzuführen, zeigt sich das Bedürfnis nach Rechtfertigung eines schuldhaften Verhaltens, das nicht zu rechtfertigen ist. Aber auch in der Parallelisierung und Relativierung solcher Taten liegt ein Mißbrauch des historischen Vergleichs; denn die eigene Schuld wird nicht kleiner, wenn man die eines anderen danebenstellt.
Am Historikerstreit zeigt sich zugleich, wie massiv aktuelle politische Interessen das Bild der Geschichte prägen können. Alle, die aus dem Schatten des "Dritten Reiches" glauben endlich heraustreten zu können und denen an der Wiederherstellung eines "ungebrochenen deutschen Selbstbewußtseins" gelegen ist, begrüßen derartige Versuche. Manche, die sich dem Hitler-Reich nicht versagt hatten oder die als Soldaten am Krieg gegen die Sowjetunion beteiligt waren, finden darin eine Begründung für ihr Verhalten.
Noch heute vertritt mancher ehemalige Soldat die Ansicht, daß 1941 ein Verteidigungskrieg gegen den Bolschewismus begonnen worden und daß es daher gerechtfertigt und notwendig gewesen sei, für den Schutz der Familien und des Vaterlandes Gesundheit und Leben einzusetzen. Hier sind noch immer die Folgen der nationalsozialistischen Propaganda wirksam. Sie verstellen den Blick auf die entscheidende und oft beschriebene Erkenntnis, daß Millionen deutscher Soldaten mißbraucht wurden. Denn tatsächlich diente ihre - von antibolschewistischen Feindbildern überlagerte und durchsetzte - Bereitschaft zur Erfüllung nationaler Pflicht und militärischen Gehorsams nicht der Verteidigung, sondern ermöglichte eine Aggressions-, Expansions- und Vernichtungspolitik, die mit Vorstellungen von rassischer Überlegenheit über die "jüdisch-bolschewistischen" und slawischen "Untermenschen" begründet wurde.
Die schmerzhafte Einsicht, in eine Vernichtungsaktion verstrickt gewesen zu sein, bleibt auch den ehemaligen Soldaten nicht erspart, deren Einheiten unmittelbar keine Verbrechen angelastet werden können. Denn nicht nur von Verbänden der SS, sondern auch von Formationen der Wehrmacht und Polizei sind Grausamkeiten von ungeheurem Ausmaß verübt worden. Sie sind unwiderlegbar dokumentiert.
Daß auch sowjetische Sicherheitsorgane und Einheiten der Roten Armee Verbrechen begangen haben, ist inzwischen Thema der sowjetischen Diskussion. Die Aufgabe der Deutschen ist, ihre eigene Schuld auf sich zu nehmen.
Eigenen Irrtum und eigene Schuld einzugestehen ist schmerzhaft; besonders schmerzhaft für die Menschen, die am Ende selbst leiden mußten oder den Tod von Angehörigen zu beklagen hatten. Verdrängte Schuld aber verhindert Trauer.
Wer seine eigenen Untaten benennt, erleichtert es auch
den anderen, mit seiner Geschichte ins reine zu kommen. Durch
Einfühlen in die Leiden der anderen Seite wächst Verständnis füreinander.
Praktische Schritte sind wichtig: Begegnungen von Kriegsteilnehmern,
Dokumentieren der Erinnerungen in Literatur und Film, Kooperation von
Historikerinnen und Historiker, Revision der Schulbücher.
3. Der Gegensatz der Ideologien
Die Sowjetunion ist eine Hegemonialmacht, die wie andere Großmächte ihre staatlichen Interessen energisch und oft rücksichtslos wahrgenommen und dabei auch das Mittel der militärischen Intervention nicht gescheut hat. Entgegen der Wahrnehmung der deutschen Öffentlichkeit dominierte in der sowjetischen Außenpolitik im Zweifel nicht die kommunistische Ideologie, sondern das nationale Interesse. Von daher ist auch der Abschluß des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes am 23. 8. 1939 zu erklären, der diese Interessen sichern sollte. Im Gegensatz zum grenzenlosen Eroberungsdrang Hitlerdeutschlands war die sowjetische Außenpolitik aber durchgängig von einem defensiven Grundinteresse geprägt. Zu diesem Grundinteresse steht nicht im Widerspruch, daß die Sowjetunion vor expansiver Gewalt nicht zurückscheute, wenn sie glaubte, ihre Großmachtinteressen wahren zu müssen.
Die Sowjetunion hat mehrere Entwicklungsphasen durchlaufen. Das sowjetische System ist wandelbar, deformierbar, reformierbar, auch demokratisierbar. Die gegenwärtigen Ansätze des Neuen Denkens (Novoje Myschlenije), der Umgestaltung (Perestroika) und der Transparenz (Glasnost) zeigen, daß die politische Entwicklung nicht nur durch ideologische Ansätze, sondern zugleich durch reale Erfahrungen bestimmt wird.
Äußerungen der politischen Führung verweisen neuerdings nicht allein auf Klasseninteressen; sie beziehen sich deutlicher als in der Vergangenheit auf das gemeinsame Überlebensinteresse der Menschheit. Wer dieses Interesse teilt, sollte auf einen Erfolg der sowjetischen Reformpolitik hoffen. Doch die Bundesrepublik darf die besonderen Aufgaben gegenüber der Sowjetunion, die sich aus der deutschen Geschichte ergeben, nicht vom Erfolg der sowjetischen Reformpolitik abhängig machen.
Mit allem Nachdruck treten wir
für die Überwindung von Feindbildern ein. Das Feindbilddenken versteht positive
Verhaltensweisen der gegnerischen Seite prinzipiell als Ausnahme oder gar als
Täuschung, destruktive dagegen als Regel, während im Blick auf die eigene Seite
grundsätzlich umgekehrt argumentiert wird. Feindbilddenken unterstellt der
militärischen Rüstung des Gegners, offensive, der eigenen Rüstung dagegen
defensive Absichten. Es benutzt alle neuen Informationen, soweit sie überhaupt
zugelassen werden, um die schon bereitliegenden Deutungsmuster zu festigen. Für
Korrekturen ist es unempfänglich. Mit derartigen Feindbilddenken ist dagegen
rationale Kritik am kommunistischen Herrschaftssystem und an der Ideologie des
Marxismus-Leninismus nicht zu verwechseln.
Menschenrechte werden oft als Instrumente des ideologischen Kampfes mißbraucht.
Nicht selten wird ihr Fehlen andernorts von denselben Politikern beklagt, die
Verletzungen von Menschenrechten im eigenen Land kaum wahrnehmen und zu
übergehen versuchen. Der Gedanke der Menschenrechte verlangt aber, daß man ihnen
zuerst selbst genügt. In Deutschland von Menschenrechten zu sprechen heißt
zudem, sich zu vergegenwärtigen, wie sie von Deutschen seit 1933, besonders aber
während des Zweiten Weltkriegs, in fast allen Ländern Europas in extremer Weise
mißachtet und mit Füßen getreten wurden.
Die Menschenrechte kritisch auf die eigene Geschichte und Gesellschaft zu
beziehen bedeutet nicht, ihre Allgemeingültigkeit einzuschränken. Differenzen
über deren Verständnis müssen offen und kritisch ausgetragen werden. Wir wissen,
daß die Menschenrechte im marxistisch-leninistischen Verständnis anders gedeutet
und bewertet werden, als dies in westlichen Staaten geschieht. Diese Differenz
sollte uns zuerst dazu veranlassen, uns der kritischen Frage danach zu stellen,
wie es in der Bundesrepublik um die Verwirklichung sozialer Menschenrechte
bestellt ist. Doch wir halten es für einen Irrtum, soziale Menschenrechte auf
Kosten persönlicher Freiheitsrechte und politischer Mitwirkungsrechte
durchsetzen zu wollen. Die zwiespältige und zum Teil deprimierenden Ergebnisse
dieses Versuchs werden heute in der Sowjetunion öffentlich diskutiert und
kritisiert. Im Blick auf kommunistische wie kapitalistische Gesellschaften gilt:
Das Bekenntnis zur Überwindung von Feindbildern schließt nicht aus, sondern
verlangt gerade, die umfassende Verwirklichung der Menschenrechte einzufordern
und gesellschaftliche Verhältnisse und Herrschaftsformen zu kritisieren, die
ihnen im Weg stehen.
Es geht nicht darum, die Unterschiede zwischen den Systemen zu verwischen; uns
ist daran gelegen, daß sich die bisherigen Kontrahenten gegenseitig als
friedensfähig wahrnehmen können. Nur wer den anderen für friedensfähig hält,
kann mit ihm gemeinsam Sicherheit organisieren und damit Geist, Logik und Praxis
der Abschreckung überwinden. Die Auseinandersetzung über die gesellschaftlichen
und ideologischen Gegensätze darf nur in friedlichem Wettbewerb ausgetragen
werden. Wir hoffen, daß angesichts der drängenden Zukunftsaufgaben die alten
Gegensätze mehr und mehr in den Hintergrund treten und die verschiedenen Systeme
das Ihre zur Lösung dieser Aufgaben beitragen werden.
4. Gemeinsame Arbeit an der Aufgabe der Zukunft
Die gemeinsame Zukunftsaufgaben sind in den Erfahrungen und im Bewußtsein unserer Generation in den Vordergrund getreten: die Abschaffung der Institution des Krieges, die Bekämpfung des Hungers und die Bewahrung der Natur. Geordnete und friedliche Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland mit der Sowjetunion würde in beiden Staaten erhebliche Kräfte und Mittel für diese Aufgaben freimachen. Solange unsere Sicherheitspolitik durch Feindbilddenken, Mißtrauen und Hochrüstung bestimmt wird, geht sie das Risiko eines Krieges ein.
Solange in den Ländern der "Dritten Welt" Hunger,
Arbeitslosigkeit und Analphabetismus herrschen und solange armen, zudem kleinen
Völkern wirksame Partizipation an der Gestaltung einer gerechten
Wirtschaftsordnung verweigert wird, kann die Menschheit keinen dauerhaften
Frieden finden.
Solange im Süden mehr aus der Not, im Norden eher aus Unverstand und
Profitinteresse die Natur zerstört wird, leben wir auf Kosten künftiger
Generationen.
Wo immer wir gemeinsam Frieden stiften und festigen, Hunger bekämpfen oder
natürliche Kreisläufe schützen und wiederherstellen, arbeiten wir an demselben
Projekt: einer lebenswerten Zukunft für alle.
Heidelberg, Februar 1989
Die westdeutschen Verfasser der Aufsätze in diesem Band schließen sich dem Memorandum an. Die Verfasser aus der Deutschen Demokratischen Republik begrüßen sein Erscheinen.
Bonn/Warschau, 17. Juni 1991
Auszug:
Die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Polen - In dem Bestreben, die leidvollen Kapitel der Vergangenheit abzuschließen und entschlossen, an die guten Traditionen und das freundschaftliche Zusammenleben in der jahrhundertelangen Geschichte Deutschlands und Polens anzuknüpfen; (...) Überzeugt von der Notwendigkeit, die Trennung Europas endgültig zu überwinden und eine gerechte und dauerhafte europäische Friedensordnung zu schaffen; (...) sind wie folgt übereingekommen: (...)
Artikel 2: Die Vertragsparteien bekennen sich (...) insbesondere zu folgenden Grundsätzen: (...)
Sie achten gegenseitig ihre souveräne Gleichheit, ihre territoriale Integrität, die Unantastbarkeit ihrer Grenzen, ihre politische Unabhängigkeit sowie den Grundsatz des Verbots der Drohung mit oder Anwendung von Gewalt. (...)
Artikel 8: (1) Die Vertragsparteien messen dem Ziel der europäischen Einheit auf der Grundlage der Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit höchste Bedeutung bei und werden sich für die Erreichung dieser Einheit einsetzen.
7. Hasspropaganda: (...) Die Parole "Die Juden sind unser Unglück" stammt von dem Historiker Heinrich von Treitschke (1834-1896)
Zeittafel 1941: 23. Mai: Wirtschaftspolitische Richtlinien für die Besetzung der Sowjetunion sehen Tod für "viele 10 Millionen" Menschen vor.
21. Juni: Himmler gibt den "Generalplan Ost" in Auftrag, der die "Evakuierung" von mehr als 30 Millionen Menschen vorsieht. Das Ostministerium korrigiert diese Zahl auf 50 Millionen.
6. Die Wannsee-Konferenz:
Im Juli 1941 lässt sich Heydrich von Göring den Auftrag geben, die "Endlösung der europäischen Judenfrage" vorzubereiten, die über 11 Millionen Menschen betreffen soll. Es handelt sich nur um die erste Stufe eines sehr viel weiter reichenden, umfassenden Vorhabens. Die "rassenpolitische Neuordnung Europas", für die Himmler den "Generalplan Ost" entwerfen lässt, sieht die "Aussiedlung" von 30 Millionen Slaven vor; Experten rechnen mit 50 Millionen.
Nachbemerkung: H.K.F. Günther und Heinrich von Treitschke waren Hochschullehrer in den Fachgebieten Agrarsoziologie und Zeitgeschichte an der Friedrich-Wilhelm-Universität; Dr. Otto Ohlendorf, seit 1941 Chef der Einsatzgruppe D zur Organisation des praktischen Judenmords im Süden der besetzten Sowjetunion, war 1935/36 Abteilungsleiter an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. Acht der 15 Teilnehmer der Wannseekonferenz vom 20.01.1942 waren promovierte Akademiker, davon fünf Juristen.
Befürwortung einer konkreten und öffentlichen Aufarbeitung von Schuld
am Beispiel Südafrikas
Prof. Gerhard Werle, Kernfazit der
Antrittsvorlesung an der Humboldt-Universität, Berlin, 18.05.1995
Befürwortung einer öffentlichen, konkreten und detaillierten Aufarbeitung von historischer Schuld durch Prof. Gerhard Werle, Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozeßrecht und Juristische Zeitgeschichte, im Resume der Antrittsvorlesung zur südafrikanischen Wahrheits- und Versöhnungskommission, Berlin, 18.05.1995:
Ohne Wahrheit keine Versöhnung, Der südafrikanische Rechtsstaat und die Apardheid-Vergangenheit: Zusammenfassung des Konzepts der Wahrheits- und Versöhnungskommission:
Sehr geehrter Herr B.
(..) Den von Ihnen vorgetragenen Vorschlag der wissenschaftlichen Bearbeitung der Rolle der Berliner Agrarökonomen während des Dritten Reiches habe ich mit Herrn Prof. Klemm und Dozent Dr. Deutsch besprochen. Übereinstimmend sind wir der Auffassung, daß die Aufarbeitung der Rolle der NS-Agrarökonomie sehr wichtig ist und im Rahmen eines Forschungsprojektes erfolgen könnte. Wie aus Ihrem Brief hervorgeht, sollte der Antrag auf Initiativförderung aus dem Forschungsfonds der Humboldt-Universität bis Mitte März eingereicht sein. Das Ziel Ihrer Bemühungen ist die Beantragung eines Forschungsprojektes bei der DFG, um so eine Finanzierung ihres Vorhabens zu sichern. Wir unterstützen diesen Antrag, da eine Finanzierung aus Instituts- oder Fakultätsbudget nicht möglich ist.
Herr Doz. Dr. Deutsch erklärt sich bereit, Sie bei der Durchführung des Projekts zu unterstützen, so u.a. bei der Erarbeitung einer Disposition sowie bei der Klärung fachlicher Probleme. Ich begrüße die Bereitschaft von Prof. Lorenzl, Ihnen einen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. In dieser Form kann das Institut die Durchführung Ihres Projektes befördern. Die finanziellen Mittel müssen auf jeden Fall durch eine Fremdfinanzierung gesichert werden. Diesbezüglich muß ich darauf hinweisen, daß das Institut auf die Bewilligung von Forschungsgeldern durch die Universität nur sehr geringen Einfluß hat. Auf die Bestätigung von Drittmitteln durch die DFG besteht unsererseits kein Einfluß.
Ich hoffe, daß ich Ihnen die realen Möglichkeiten unserer Mitwirkung an Ihrem Vorschlag aufgezeigt habe, um zugleich unser Interesse an diesem Forschungsprojekt zu bekunden. Herr Doz. Dr. Deutsch und ich stehen Ihnen gern für ein persönliches Gespräch zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
(Unterschrift)
Paul Hagelschuer
Mit der Pensionierung von Prof. Volker Klemm und Dr. Reinhard Deutsch und nach dem mißlungenen Versuch der Fortführung des Fachgebiets Agrargeschichte an der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät an der Humboldt-Universität zu Berlin besteht die Gefahr, daß eine wichtige Epoche Berliner Wissenschaftstradition unreflektiert bleibt. Es geht um die Periode vor und während des 2. Weltkrieges.
Das umfangreiche Material aus der Forschungslandschaft der Nationalsozialisten, das in Kellern von Berliner Villen lagert, scheint im Zuge der neuerlichen Flurbereinigung in den WISOLA in Berlin unbrauchbar bzw. unauffindbar zu werden. Und ich habe meine Zweifel, ob das Bedauern über das Verschwinden solch leidlich deutschen Kulturguts überhaupt als bemerkenswert erachtet wird. Eine Hypothek verschwindet, aber auch eine wichtige Erkenntnismöglichkeit.
Die fatale Technokratie, die vordergründige Ideologie und erschreckend kleinbürgerliches Bewußtsein charakterisieren eine agrarpolitische Forschergeneration der Nazizeit, von der zwar kaum noch jemand am Leben ist, deren Denk-Tradition aber latent und virulent noch vorhanden sein dürfte. Ein verschämtes Erodierenlassen, ein beleidigtes Ausgrenzen oder aufgebrachtes Abgrenzen können ein funktionierendes Gewissen aber nicht erleichtern.
Ich vermute, daß es lohnt, die mentalitätsgeschichtliche Einbettung des nationalsozialistischen Gedankenguts zur Agrarfrage viel ernster zu nehmen und vertieft anzugehen. Unsere globalen Bedingungen machen es leicht, das Volk ohne Raum, das volle Boot, die Überbevölkerung als Apokalypse zu sehen und kurzschlüssige Konsequenzen ziehen zu wollen. Die Einsichten mehren sich, daß im 19. Jahrhundert wesentliches zur deutschen Tragödie des 20. Jahrhunderts vorgedacht und Bildungsgut geworden ist. Wer weiß schon, wie weit das reicht?
Matthias Burchard gebührt die Achtung, unter schwierigen persönlichen Bedingungen einen Beitrag vorgelegt zu haben, den unser transformationstrunkenes Bewußtsein nicht ohne weiteres übergehen kann; denn - wie Bazon Brock uns sagte - kein Faschist kann eigentlich nur derjenige sein, der sich zugesteht, auch einer sein zu können. Vorsicht also bei den Osterweiterungen, die Marktdurchdringung ist schon schlimm genug.
Günter Lorenzl
Dear Matthias,
(..) I found your piece (working paper Nr.
38, Institut WiSoLa der LGF der Humboldt-Universität Berlin, Juni 1997) on the
Generalplan Ost very stimulating and thought-provoking. I was particulary
interessted in the section on the practical impact of the Generalplan Oat, and
found several of the references there helpful. Also the section on the
enthusiasm for technology and rationalization seems to me to highlight a very
importand point.
One possible additional link which one could mention between the agricultural scientists and Nazi plans and policies in the East - as you are no doubt aware - is the recruitment of students of agriculture for tasks in occupied Poland and Ukraine. I am sending you in case you might be interested some cuttings from the student newspaper Die Bewegung which is available in the Staatsbibliothek (West). As you see, Konrad Meyer did a good deal of propagandizing about the East to students. There ist some mention of "Studentischer Facheinsatz Ost" in Geoffrey Giles` book Students and National Socialism in Germany, p. 274 and in Michael Grüttner, Studenten im Dritten Reich, pp. 377 ff.
In the regional archive in Lublin I also looked at some of the material that Bruno Wasser presumably looked at concerning the "Forschungsstelle für Ostunterkünfte". Among other things I found a letter from the head of the "Forschungsstelle", Dr. Stanglica, to an agricultural scientist at the Institut für Agrarwesen und Wirtschaftspolitik in Göttingen in summer 1943 pressing him to supply as many agriculture students as possible "für den Einsatz im Distrikt Lublin" ... denn gegenwärtig ist eine große Umsiedlungsaktion hier im Gange und der Bedarf an Studierenden der Landwirtschaft zur Unterstützung und Beratung der neuen Siedler ist sehr groß." (Stanglica an Diplom-Landwirt Oltmann, Göttingen, Institut für Agrarwesen und Wirtschaftspolitik, 21. Juli 1943. Archiwum Panstwowe Lublin, SSPF Lublin/Fostu, 4.) Also in these files were reports by students (I presume students of agriculture) who had been recruited for this work and who were monitoring the progress of Germanization in the Zamosc area in summer 1943. These reports include criticisms of the settlement agencies and of the settlers themselves.
(...) I hope your own work is going well. With all best wishes Liz Harvey
Sehr geehrter Herr B.,
haben Sie vielen Dank für Ihr Schreiben vom 3. Juli und die beiliegende Skizze des von Ihnen geplanten Forschungs- und Ausstellungsprojekts. Ich finde solche Rehabilitierungen, wie Sie sie vorbereiten, sehr wichtig und wünsche Ihnen dabei viel Erfolg. Grundsätzlich ist eine Tagung zu dem Thema "Agrarwissenschaften im Nationalsozialismus" im Neubau der Stiftung durchaus denkbar. Das Problem besteht allerdings darin, daß die Eröffnung des Neubaus gegenwärtig für das Jahresende 2000 geplant, aber keineswegs sicher ist. Wir können Ihnen deshalb für den Sommer 2001 keine verbindliche Zusage machen. Vielleicht könnte man darüber noch einmal sprechen, wenn sich die Baufortschritte deutlicher abzeichnen und die Planungssicherheit damit größer wird. (...)
Mit freundlichen Grüßen
(Unterschrift)
Professor Dr. Reinhard Rürup
Zentrum für Dialog und Gebet in Oświęcim, im November 1998
Auszug aus dem Vorwort von Dozent Dr. Roman M. Zawadzki
Exakter Buchtitel, Signatur durch den Autor (Mai 2006)
ISBN-Nummer, Verlag, poln. Originaltitel
Professor Henryk Pierzchała brachte mir das Manuskript seines Buches am 14. November 1996 zur Durchsicht nach Oświęcim (Auschwitz), wo ich z.Zt. wohne. Obwohl Oświęcim nur 65 km von Krakau liegt, war er zum ersten Mal nach dem Krieg in dieser Stadt. Die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau wollte er nicht besichtigen, wir sind nur mit dem Wagen daran vorbeigefahren. 1943 war er als Häftling nach Birkenau gebracht worden. Spuren seiner Erinnerungen daran (sowie an seinen vorherigen Aufenthalt im Krakauer Gefängnis Montelupich und den anschließenden im KZ Buchenwald) finden sich in seinem Buch, wenn er z.B. von den Foltermethoden in den KZ berichtet. Aber er tut es sehr indirekt. Die Erfahrungen haben ihn zu sehr mitgenommen, als daß er direkt zu ihnen zurückkehren könnte. Als er einmal mit deutschen Freunden nach dem Krieg die Gedenkstätte des KZ Buchenwald besichtigte, mußte der den Besuch abbrechen, weil die Erinnerungen zu stark wurden.
Pierzchała ist nie wieder nach Auschwitz gekommen, aber doch haben ihn die damaligen Erfahrungen nie verlassen und zutiefst geprägt. Dabei geht es nicht einmal um die persönliche KZ-Erfahrungen. Die beunruhigung und die Verletzung geht viel tiefer; und der Wunsch, zur Heilung beizutragen, ist umfassender.
Prof. Pierzchała ist emiritierter Professor an der Berbbauakademie in Krakau, deren Professoren in der „Sonderaktion Krakau” ebenfalls verhaftet und verschleppt wurden, und deren Gebäude zum Amtssitz des Generalgouverneurs für die besetzten polnischen Gebiete geworden war. Sein ganzes Berufsleben hat er also in dem von der „Sonderaktion” geprägten Milieu verbracht. Seine Arbeit ist deshalb auch ein Dienst an seinen verstorbenen Kameraden, Kollegen und Freunden, ein Dienst, den er der Akademie, der Wissenschaft Krakaus und der Kultur Polens schuldig zu sein meint. Diese Arbeit ist ein Vermächnis, ein Denk- und Mahnmal, mit Herzblut geschrieben. Aus jeder Zeile spricht die große Liebe des Autors zu Polen und zu seiner Stadt Krakau.
Die Fragen, die die damaligen Ereignisse aufwerfen, betreffen nicht nur das persönliche Leid der Opfer. Was haben die Deutschen mit der polnischen Kultur gemacht? 1939 wurden die Krakauer Professoren verhaftet. Die Krakauer Universität sollte nicht sein, weil die polnische Intelligenz nicht sein sollte. Die polnische Intelligenz sollte nicht sein, weil ein geistiger Einfluß Polens in Europa nicht sein sollte. Warum ist das geschehen? Es ist doch eine ungeheuere Lüge, daß die polnische Kultur nichts wert sei. Wie konnten sie unter diesem Vorwand die polische Intelligenz ausrotten? Damit haben sie doch nicht nur die polnische, sondern auch die europäische und damit also auch ihre eigene Kultur im Kern getroffen! Die ausführlichen Schilderung der nationalsozialistischen Grauenszeit mit ihren umfassend ausgebauten Strukturen ist zu verstehen als Erschrecken darüber, daß eine „gebildete” Nation so entarten kann. Schließlich geschah alles mit „wissenschaftlichem” und „kulturellem” Anspruch! Das ist die Todeskultur, die entstand, als sich die deutsche Kultur von ihrer europäischen Eingebundenheit und damit von den polnischen Beziehungen trennte!
Pierzchała will die Bedeutung Polens, Krakaus, der verhafteten Professoren für Europa aufzeigen. Deshalb versteht es sich, daß er nicht nur über das konkrete Schicksal der von der „Sonderaktion Krakau” betroffenen Professoren berichten will, sondern darüber hinaus die geistliche Bedeutung Polens unnd der polnischen Wissenschaft für Europa und seine Einheit aufzeigen und somit in das europäische, besonders das deutsche Bewußtsein wiedereinsetzen will: „Es ist also davon auszugehen, daß die große „Gemeinschaft der Krakauer Professoren” in der Vergangenheit wie in der Gegenwart zu den Begründern und Erbauern der wissenschaftlichen Einheit Europas gehörte.” Dies scheint mir das Vermächnis, zu dem er sich um seiner ermordeten Kameraden willen verpflichtet fühlt.
Insbesondere der Jugend Polens und Deutschlands will er dieses Vermächnis weitergeben. Manchmal hatte ich den Eindruck, als erzähle mir Pierzchała die europäische Geschichte neu, als nehme er mich an der Hand und zeige mir an jedem einzelnen Stein der Krakauer Altstadt seine europäische Bedeutung. Insbesondere aber der faktische Verlauf der „Sonderaktion Krakau”, der schließlich dazu führte, daß weit über 200 schon zum Tode verurteilte polnische Professoren aus den deutschen Konzentrationslagern entlassen wurden, ist ein Beweis ihrer europäischen Bedeutung. Proteste, diplomatische und individuelle Interventionen aus Ungarn, Schweden, Italien, Vatikan, Jugoslawien, Bulgarien, Schweiz, Spanien, Griechenland, Östereich, Belgien, Palästina, Portugal, Türkei, Mexiko, Frankreich, Großbitannien, Holland, Irland, Kanada, Litauen, den USA, vom Internationalen Roten Kreuz und sogar aus Deutschland brachten das mächtige NS-Regime schließlich zum Nachgeben. Diese beeindruckende Erfahrung von Solidarität gehört zu diesem Vermächnis hinzu. Und dies: Geschichte ist Geschichte von Menschen und persönlichen Beziehungen. Deshalb die vielen Namen. Geschichte ist trotz aller Zwänge der Verhältnisse eine Geschichte persönlicher Verantwortung, im Bösen wie im Guten.
Pierzchała erinnert die Schreckenszeit um der besseren Zukunft willen. Die Erinnerung an die Vergangenheit ist nicht nur Mahnung, sondern auch Ermutigung: man hat etwas tun können! Diese Arbeit betont auf dem Hintergrund des Verbrechens das Gute und versucht, es überall hervorzuziehen, aufzuzeigen. Das ist es, was die nächste Generation lernen soll: es war viel mehr Gutsein möglich als viele meinen. Wenn alle so gewesen wären, wäre „KZ Auschwitz” nicht geschehen. Etwas müssen wir lernen aus der Vergangenheit: daß Mut zur Menschlichkeit sich lohnt! Sosehr der Autor einerseits versucht, genau zu verstehen, wie das politische System funktioniert hat, das ihn ins Lager gebracht hat und das polnische Volk vernichten wollte, so sehr sucht er doch auch gerade in diesen Zusammenhängen nach menschlich ermutigenden Zeichen. Das Zitat des „Krakauers” Prof. Siedlecki, mit dem er seine Arbeit abschließt, gibt davon Zeugnis: „Kein Mensch auf der Welt wäre völlig aller Werte beraubt; sogar bei denen, die wenig erwarten ließen, tritt zuweilen doch eine positive, eine schöne oder eine wertvolle Seite hervor - man muß nur bereit und fähig sein, diese Seite wahrzunehmen.”
Gerade in Bezug auf uns Deutsche ist diese Arbeit eine zur Versöhnung ausgestreckte Hand und eine Einladung zur Zusammenarbeit, die viele bedeutende gemeinsame Ansatzpunkte aufzeigt und uns sagen will: es war doch ein großer Fehler, daß unsere Zusammenarbeit aufgehört hatte. Wir gehören einfach zusammen. Das ist für Euch wie für uns die Verwirklichung der ureigensten europäischen Identität.
Ich bin kein Historiker, um die sachliche Richtigkeit aller Ausführungen im Einzelnen beurteilen oder sie ausgewogen in den historischen Kontext ihrer Zeit einordnen zu können. Aber auch unabhängig davon ist die Revue von Zeugnissen fruchtbaren Miteinanders ungeheuer beeindruckend und für die Zukunft ermutigend. Diese Arbeit ist nicht als eine abschließende Synthese zu verstehen, sondern als ein Beitrag für einen europäischen Dialog, der erst wieder beginnen muß. Auf der Erinnerung an das Schreckliche, das nicht vergessen werden darf, soll ein Neuanfang aufgebaut werden, der seine Ermutigung in einer Anknüpfung an eine gemeinsame europäische Vergangenheit und in Lichtblicken selbst innerhalb der grausamen Jahre des Nationalsozialismus findet.
Es ist im Grunde beschämend, daß in Deutschland kam jemand die Geschichte der „Krakauer Sonderaktion” kennt und ihre Bedeutung für Polen ahnt.
Polen blieb nach 1945 vom freien wissenschaftlichen Austausch mit Westeuropa, mit der ganzen westlichen Welt ausgesperrt. Als Professor der Bergbauakademie in Krakau beschäftigte Prof. Pierzchała dieses Thema jedoch sein Leben lang. Unter den Bedingungen des kommunistischen Systems konnte er sich dem nur begrenzt widmen, tat es aber die ganze Zeit über vor allem durch Sammeln von Material (siehe die Bergbauakademie in Krakau 1939-1945 ... - die im Grunde eine Bibliographie betreffs Krakau in dieser Zeit ist, und zwei Veröffentlichungen gemeinsam mit A. Bolewski über das Schicksal polnischer Wissenschaftler im 2. WK, 1985 u. 1989). Erst nach seiner Pensionierung und in neuen politischen Verhältnissen, die einerseits die Zensur abschafften und andererseits freien Zugang zur westlichen Welt und auch zu Finanzierungsmöglichkeiten eröffneten, konnte er sein Werk zu Ende ausarbeiten und für die Veröffentlichung vorbereiten. Auch hier wird deutlich: nur eine europaweite Solidarität der Kultur und Wissenschaft schützt vor totalitärer Diktatur.
Nachdem ich sein Werk gelesen habe, bin ich heute um so dankbarer, daß ich als westdeutscher Theologe durch meine Promotion an der Päpstlichen Theologischen Akademie in Krakau im vergangenen Monat einen Beitrag zur europäischen wissenschaftlichen Einheit habe leisten können. Um so mehr fühle ich mich verpflichtet, dazu beizutragen, daß diese wichtige Krakauer Stimme in Deutschland vernommen wird.
Dr. Manfred Deselaers
Oświęcim, November 1996
Dr. Manfred Deselaers ist kath. Priester des Bistums Aachen. Er schrieb an der Päpstlichen Theologischen Akademie in Krakau eine Dissertation zum Thema: Gott und das Böse im Hinblick auf die Biographie und die Selbstzeugnisse von Rudolf Höß, Kommandant in Auschwitz (veröffentlicht unter dem Titel: Und Sie hatten nie Gewissensbisse? Im Benno-Verlag, Leipzig 1997), und arbeitet am „Zentrum für Dialog und Gebet in Oświęcim”.
Betr: Rehabilitation degradierter jüdischer Veterinärmediziner, Ihr Schreiben vom 01. Juli 1998
Sehr geehrter Herr Burchard,
mit Interesse habe ich Ihr oben genanntes Schreiben an unseren Verwaltungsleiter Herrn Platow zur Kenntnis genommen. Ich denke eine Rehabilitation der degradierten Wissenschaftler ist mehr als überfällig.
Leider können wir jedoch von hier aus nicht helfen. Alle Unterlagen zur Zeit vor 1990 liegen in den Archiven der Humboldt-Universität und sind uns nicht zugänglich. Uns ist auch nicht bekannt, ob jemals eine Rehabilitation der genannten Wissenschaftler stattgefunden hat. Das hatte Ihnen Herr Platow wohl auch schon alles mündlich mitgeteilt.
Was die Anbringung einer Tafel in der Luisenstr. 56 betrifft, so stehe ich einem solchen symbolischen Akt sehr positiv gegenüber. Wir und besonders die jungen Studenten sollen und müssen jetzt und in Zukunft an die Unrechtszeiten erinnert werden.
Es tut mir leid, Ihnen nicht wirklich helfen zu können.
Mit freundlichen Grüßen
Univ. Prof. Dr. K. Hartung
Vielen Dank für Ihre Faxe. Leider konnte ich nicht sofort antworten. Ihr Vorschlag, die Gruppe der liberalen Moskauer Agrarwissenschaftler in den DFG-Antrag mit aufzunehmen hat mir gut gefallen. Ich werde versuchen, die notwendigen Informationen in Kürze abzusenden. (...) Wünsche Ihnen viel Gesundheit, Glück und großen Erfolg bei Ihrer Arbeit. Mit freundlichen Grüßen. W.S.
Betrifft: Schreiben vom 2.11.98 in Sachen "Generalplan Ost":
Auf Ihr Schreiben vom 2. November 1998 teile ich Ihnen mit, daß jede Tätigkeit zu begrüßen ist, die darauf abzielt, das Unrecht der nationalsozialistischen Zeit näher aufzuklären. Deshalb wünsche ich Ihnen bei Ihrer Tätigkeit den gewünschten Erfolg. (...).
Mit vorzüglicher Hochachtung P., Oberstaatsanwalt
Haben Sie besten Dank für Ihre freundlichen Zeilen vom 19. Januar und die Anlagen. Ich habe mich besonders über Ihre guten Wünsche zum neuen Jahr gefreut. Auch ich wünsche Ihnen alles Gute für 1999, vor allem Gesundheit und viel Durchsetzungskraft für Ihre großen Pläne. (...)
Sie haben sich da eine sehr verdienstvolle, aber riesige Sache vorgenommen: Glück auf!! Und viel Erfolg!!! Ich will helfen, so gut ich kann. Es grüßt Sie H.G.
Sehr geehrter Herr B.,
(...)
Ich wünsche Ihnen alles Gute und hoffe, dass die wichtigen wissenschaftlichen Projekte, die Sie sich vornehmen, mit vollem Erfolg verwirklicht werden und Sie die notwendige Unterstützung von der Deutschen Forschungsgemeinschaft bekommen.
D. Gurewitsch, Direktor
(Unterschrift)
"Haben Sie vielen Dank für die Übersendung Ihrer Kurzdarstellung zu dem von Ihnen geplanten Projekt. Das Projekt erscheint mir sehr interessant und sinnvoll zu sein. Konkrete Hilfestellung kann ich Ihnen leider nicht anbieten, da unsere Institution in einem ganz anderen Arbeitszusammenhang steht. Ich wünsche Ihnen jedoch viel Erfolg für Ihren Antrag bei der DFG und hoffe, daß Sie eine entsprechende Bewilligung erhalten.
Sollten Sie konkrete Personalvorschläge brauchen, so können Sie sich gerne direkt an mich wenden. Je nach Ihren Anforderungen könnten wir Sie in dieser Hinsicht ggf. unterstützen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich über den Fortlauf Ihrer Bemühungen weiterhin informieren könnten. Mit freundlichen Grüßen D.L.
Berlin, 25. Oktober 1999
An Ihre Exzellenz,
die Außenministerin der Vereinigten Staaten von
Amerika,
Mrs. Madeleine Albright
An den Unterstaatssekretär des Finanzministeriums
und Leiter der
US-Verhandlungsdelegation zur Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter,
Mr. Stuart
Eizenstat
Das StuPa der HU begrüßt die Initiative und Bemühungen der Vereinigten Staaten von Amerika, eine baldige Entschädigungsregelung für NS-Zwangsarbeiter von Seiten der deutschen Industrie zu erwirken. Leider sah auch die wissenschaftliche Raum- und Siedlungsplanung an der Berliner Universität 1940 bis 1944 Zwangsarbeit für 300.000 rassisch unerwünschte Menschen vor. Mindestens 25 Mio Mitteleuropäer galten im "Generalplan Ost" als "nicht eindeutschungsfähig" und sollten in Hungerzonen abgeschoben werden. Das StuPa bedauert, dass im Urteil des "Volkstumsprozesses" Nr. VIII vom 10.3.1948 des Internat. Militärgerichtshof Nürnberg eine Dokumentation der geplanten und realisierten Zwangsarbeit leider nicht erfolgte und im Jahr 1955 der alliierte Vorbehalt einer juristischen Untersuchung und Ahndung der wissenschaftlichen Genozidplanung gesetzlich festgeschrieben wurde (Teil I, Art. 3, Abs. 3 b des Überleitungsvertrages vom 30. März 1955).
Das StuPa der HU bittet das US-Außenministerium bzw. den Bonner US-Delegationsleiter, Unterstaatssekretär Eizenstat, eine offizielle Erklärung herauszugeben (declaration of interest) zugunsten einer sofortigen völkerrechtlichen Analyse und zusammenhängender Dokumentation des "Generalplan Ost" vom 28.5.1942 und des "Generalsiedlungsplan" vom Herbst 1942 mit Versicherung der Akteneinsicht im US-Außenministerium und Vermittlung von geeigneten wissenschaftlichen US-Kooperationspartnern.
Oranienburg/ Sachsenhausen, im November 1999
Zu Ehren vieler Zehntausender von Polen, polnischen Juden und polnischen Staatsbürgern anderer Volkszugehörigkeit,
Angehöriger der polnischen Minderheit in Deutschland -
Opfer des deutschen Nationalsozialismus, die in den Jahren
1936-1945 unter entwürdigenden Bedingungen hier
gefangengehalten und zu Tode gequält wurden.
Die Regierung der Republik Polen, IX 1999
Betrifft: Rehabilitierung verfolgter jüdischer Studenten und Wissenschaftler:
Wie ich Ihnen in unserem Gespräch am 02.11.99 mitteilte, verfolge ich Ihre Bemühungen zur Aufarbeitung der Geschichte mit großem Interesse. Es wird stets unser Bemühensein, Ihnen die bei uns vorhandenen Quellen für Ihre Forschungen nutzbar zu machen. Leider verfügen wir als Mitarbeiter des Universitätsarchivs nicht über die Zeit und die finanziellen Möglichkeiten zur Realisierung eines solchen Projektes, wie Sie es anstreben. Die Abklärung von Sachverhalten, Personenangaben und Zeitangaben in einem solchen Umfang kann m.E. nur in einem mit mehreren Personen gemeinsam bearbeiteten Projekt bewältigt werden, für dessen Organisierung und Realisierung ich Ihnen viel Erfolg wünsche und Ihnen nochmals unsere Unterstützung versichere.
Mit freundlichen Grüßen
(Unterschrift)
Dr. W. Schultze
Leiter des Universitätsarchivs
Der akj begrüßt alle Bestrebungen, die Mitwirkung deutscher Wissenschaftler und Wissenschaftsorganisationen an der Planung des von den Nazis befohlenen Völkermords wissenschaftlich zu untersuchen. Zu lange wurde der Massenmord nur mit einer kleinen Clique von politischen Führern in Verbindung gebracht und die Beteiligung der Berliner Universität ausgeblendet. Zu einer solchen Untersuchung gehört auch die Rolle der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Literaturbestand für das Ausstellungs- und Forschungsprojekt "Vom Nobelpreis zum Generalplan Ost"
Ihrer Bitte entsprechend kann ich hiermit einen umfangreichen Bestand an volkswirtschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Literatur in der Zweigbibliothek Agrarwissenschaften, Standort Teilbibliothek WiSoLa (Im Dol 27-29) für den Zeitraum der zwanziger bis einschließlich vierziger Jahre bestätigen. Neben zahlreichen Monographien ist exemplarisch zu nennen die in Berlin herausgegebene Zeitschrift "Der Forschungsdienst" (1936-1944) mit zahlreichen Sonderbänden und die Berliner Zeitschrift "Raumforschung und Raumplanung" (1938-1944).
Unter den Monographien ist das erste Exemplar einer neuen nationalsozialistischen Lehrbuchreihe, Arthur Schürmann: Deutsche Agrarpolitik, 1941 zu nennen. Einzelne spezielle Sachverhalte aus dem "Forschungsdienst" stehen zusätzlich aufbereitet in Form eines Schlagwortkataloges zur Verfügung. Z.Zt. wird der gesamte Bestand der Teilbibliothek WiSoLa durch Rekonversion in den Online-Katalog (OPAC) der Universitätsbibliothek aufgenommen, und somit netzweit zur Verfügung gestellt.
Der Bestand an agrarökonomischer Literatur in der Zweigbibliothek Agrarwissenschaft im Hauptgebäude Invalidenstraße 42 ist aufgrund der großen Kriegsverluste (ca. 80%) wesentlich kleiner.
Eine zusammenhängende Untersuchung und Quellenforschung des Altbestandes wäre zu begrüßen.
Mit freundlichen Grüßen
(Unterschrift) Ute-Gerlinde Kollwitz
Leiterin der Zweigbibliothek
Schlussfolgerungen, Empfehlungen und offene Fragen der Kommission "Kinderklinik Jussuf Ibrahim" der Universität Jena vom 25.04.2000 unter Mitarbeit von Olaf Breidbach, Geschichte der Naturwissenschaften, Klaus Dicke, Politische Theorie und Ideengeschichte, Eberhard Eichenhofer, Sozialrecht und Bürgerliches Recht, Herbert Gottwald, Neuere Geschichte, Susanne Zimmermann, Geschichte der Medizin und Felix Zintl, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin (Auszug, vollständig unter: www.verwaltlung.uni-jena.de/oeff/ibrahim ):
Die medizinhistorische Untersuchung hat ergeben: der Verdacht einer Beteiligung Professor Dr. Jussuf Ibrahims an der Vernichtung "lebensunwerten Lebens" während des Nationalsozialismus ist bestätigt. Professor Ibrahim hat die Praxis der nationalsozialistischen Vernichtung "lebensunwerten Lebens" frühzeitig gekannt und dennoch schwerstgeschädigte Kinder der gezielten Tötung überantwortet. Es war festzustellen, dass Professor Dr. Jussuf Ibrahim sich am Vernichtungsprogramm "lebensunwerten Lebens" der Nationalsozialisten wissentlich und freiwillig beteiligte. (...)
Die Kommission empfiehlt daher, den Namen "Jussuf Ibrahim" für die Universitätsklinik der Kinder- und Jugendmedizin nicht fortzuführen.
Offene Forschungsfragen bestehen zur Gesamtpersönlichkeit Jussuf Ibrahims: Es fehlt eine wissenschaftliche Biographie nach modernen Standards (...) ebenso wie eine Darstellung der Gesamtsituation der Medizin im Nationalsozialismus an der Friedrich-Schiller-Universität. Mit der Arbeit von Frau PD Zimmermann liegt hier eine orientierende Studie vor. Dennoch besteht weiterer Forschungsbedarf. Noch zu untersuchen sind u.a. das Forschungsprofil der Medizinischen Fakultät während der NS-Zeit, insbesondere im Blick auf kriegswissenschaftliche und rassenhygienische Forschung, Einzelbiographien, Institutsgeschichten sowie die Frage der Struktur der medizinischen Forschung insgesamt.
Festzuhalten ist dabei, dass hier insgesamt ein Gebiet angesprochen ist, in dem auch bundesweit erhebliche Lücken aufzuweisen sind. Die Kommission empfiehlt dringend die Einrichtung einer Forschungsstelle zur Analyse der Geschichte der Medizin an der Friedrich-Schiller-Universität zur Zeit des Nationalsozialismus.
in einer Pause des DFG-Symposiums zur deutschen Wissenschaftsgeschichte von der Kaiserzeit zur Nachkriegszeit in Berlin-Dahlem.
"Es wird in Zukunft ergänzend erforderlich sein, zur Analyse der Wissenschaftsgeschichte vor, während und nach der Zeit des NS die regionale und lokale Ebene zu focussieren, d.h. institutionen-, organisations- und fachspezifisch vorzugehen einschliesslich wissenschaftlicher Biographienforschung zu wichtigen Funktionären und Forschern.
An Ihre Exzellenz,
die Außenministerin der Vereinigten Staaten
von Amerika,
Mrs. M. Albright
An den Unterstaatssekretär des Finanzministeriums
und Leiter
der US- Verhandlungsdelegation
zur Entschädigung der
NS-Zwangsarbeiter,
Mr. Stuart Eizenstat
Berlin, 26. Mai 2000
Das StuPa der FU begrüßt die Initiative und Bemühungen der Vereinigten Staaten von Amerika, eine Entschädigungsregelung für NS-Zwangsarbeiter von Seiten der deutschen Industrie zu erwirken. Leider sah auch die wissenschaftliche Raum- und Siedlungsplanung an der Berliner Universität 1940 bis 1944 Zwangsarbeit für 300.000 "rassisch unerwünschte" Menschen vor. Mindestens 25 Mio Mitteleuropäer galten im "Generalplan Ost" als "nicht eindeutschungsfähig" und sollten in Hungerzonen abgeschoben werden. Das StuPa bedauert, dass im Urteil des "Volkstumsprozesses" Nr. VIII vom 10.3.1948 des Internat. Militärgerichtshof Nürnberg eine Dokumentation der geplanten und realisierten Zwangsarbeit leider nicht erfolgte und im Jahr 1955 der alliierte Vorbehalt einer juristischen Untersuchung und Ahndung der wissenschaftlichen Genozidplanung gesetzlich festgeschrieben wurde (Teil I, Art. 3, Abs. 3 b des Überleitungsvertrages vom 30. März 1955).
Das StuPa der FU bittet das US-Außenministerium bzw. den US-Delegationsleiter, Unterstaatssekretär Stuart Eizenstat, eine offizielle Erklärung herauszugeben (declaration of interest) zugunsten einer sofortigen völkerrechtlichen Analyse und zusammenhängender Dokumentation des "Generalplan Ost" vom 28.5.1942 und des "Generalsiedlungsplan" vom Herbst 1942 mit Versicherung der Akteneinsicht im US-Außenministerium und Vermittlung von geeigneten wissenschaftlichen US-Kooperationspartnern.
Das StuPa der FU bittet zudem die Deutsche Forschungsgemeinschaft, dem gesetzlichen Bildungsauftrag der Universitäten selbst zu entsprechen, eine eindeutige öffentliche Stellungnahme zur wissenschaftlichen Zwangsarbeits- und Genozidplanung zu beziehen und die grosszügige DFG-Forschungsförderung des SS-Planungsamtes in Berlin-Dahlem (Planungshauptabteilung, Reichskommissariat für die Festigung deutschen Volkstums, Podbielskiallee 25/27) offenzulegen.
Aus Anlass eines in Dessau erschlagenen Mozambiquaners rief Bundespräsident Johannes Rau zur Ächtung von Rassismus im Rahmen einer geeigneten Bildungs- und Erziehungskampagne auf. In seiner Berliner Rede am 18. Mai 2001 forderte Rau eindrücklich die Selbstbeschränkung auf das menschliche Maß der technischen Möglichkeiten in der Bio- und Gentechnologie. Bundespräsident Rau ist Schirmherr des Stifterverbandes der Deutschen Wirtschaft für die Deutsche Wissenschaft.
Sehr geehrter Herr Burchard,
ich bedanke mich dafuer, dass Sie mich und meine Brueder auf dem Laufenden halten in diesen Angelegenheiten. Es ist interessant hier aus der Ferne zu hoeren welche Schwierigkeiten es noch gibt alte Missetaten recht zu stellen.
Hochachtungsvoll,
Jobst Brandt
An die Max Planck Gesellschaft Generalverwaltung -Präsident- München
Sehr geehrter Herr Präsident
Der Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 24.10.200 über die ersten Veröffentlichungen zur Geschichte der KWG/MPG vor 1945 veranlaßt mich zu folgenden Anregungen:
In der Wissenschaftsgeschichte ist für diesen Zeitraum das quantitativ größte Dunkelfeld überhaupt der Agrar- und Agrarwissenschaftsbereich. Hier besteht nur auf einigen speziellen Feldern ein erster Forschungsstand, der im wesentlichen durch Chr. Gerlach und als Desiderate ihrer thematisch anders orientierten Forschungen durch Fahlbusch, Haar und U. Herbert geschaffen wurde.
Der Agrarbereich hat die Eigenart , daß es dem Apparat des Reichsnährstandes und der SS gelungen ist- und zwar auch in ihren wissenschaftlichen Ablegern - nach 1949 nicht nur die gesamte Agrarverwaltung wieder in die Hand zu bekommen, sondern auch die unheilvolle EG-Agrarpolitik bis heute fortwirkend zu gestalten. Im Grunde besteht das Reichsnährstandsregime in der EU bis heute, mit den bekannten Folgen einer einzigartigen Ressourcenverschwendung, denn die EU-Agrarpolitik ist nach den beiden Weltkriegen die größte Geldvernichtungsmaschine des 20. Jahrhunderts geworden, wobei die Kontinuitäten bis 1914 , bzw. in die Zeit der Entstehung der Genetik, der wissenschaftlichen landwirtschaftlichen Ernährungsphysiologie und der landwirtschaftlichen Mikrobiologie zurückreichen. Die an Agrarautismus grenzende "Nahrungsautarkie"-Psychose wurzelt in den Agrarkatastrophen des 1ten Weltkrieges. Die Legende von den "Novemberverrätern", aus der sich wesentliche Teile der Zustimmung zu Hitler gebildet haben, steht mit einem der größten land- und ernährungswirtschaftlichen und epidemiologischen Traumata der neueren Geschichte in Verbindung, der einzigartigen Phytophtorakalamität von 1916, der Fehlernährung durch den "Steckrübenwinter" und das Auftreffen der Influenzaepidemie auf die physiologisch geschwächte Bevölkerung , die den Zusammenbruch der kollektiven Widerstandsmentalität der deutschen Bevölkerung hervorgerufen haben.
Bei den meisten führenden Agrarwissenschaftlern der alten Bundesrepublik ist geistige Mit- und vor allem Haupttäterschaft- nicht selten auch aktive- an der Planung und Vorbereitung von Genociden beispiellosen Ausmaßes anzunehmen. Nicht nur die Judenvernichtung in Osteuropa ( "Nahrungskonkurrenten von Mensch und Nutztier") wurde von Agrarwissenschaftlern mitbestimmt, überwiegend von ihnen als erste angeschoben, die Agrarprofessoren haben ihre Siedlungsprojekte zur Gewinnung von Lebensraum ausdrücklich unter der Prämisse aufgestellt, "...daß die vorgesehene Tötung von 10-30 Millionen slawischer Einwohner zur Freimachung von Ackerboden durch die SS plangerecht ausgeführt wird." Insgesamt steht die Rolle der Agrarwissenschaft vermutlich jener der Medizin gleich, wenn es um die Mordgier und die Barbarei geht, und weit vor ihr, wenn es um die Zahl der Opfer geht. Daß es Exponenten dieser Strukturen gelungen ist, bis weit in die ersten EWG-Kommissionen vorzudringen, ist noch überhaupt nicht bekannt. Der minimale Forschungsstand ,der sich auch bei den Problemen der Entschädigung der Zwangsarbeiter gezeigt hat, erklärt sich gleichfalls aus zwei Sonderfaktoren: Der Agrarbereich konnte jeden Forschungsbedarf leugnen, mit der Erklärung, es habe ihn organisatorisch ab 1933 durch die Zwangsüberführung in den Reichsnährstand gar nicht gegeben. Dabei hat die Agrarwissenschaft autonom weiterbestanden und zwar ,weil sie sich selbst zum Teil der SS, des RSHA und des "Reichskommissars für die Festigung des deutschen Volkstums" gemacht hat. Die zweite Eigenart ist die ungebrochen weiterbestehende Herrschaft über die Disziplin "Agrargeschichte" durch den SS-Apparat, die sich in Günther Franz, mit Hilfe von Heinz Haushofer, Woermann , Blohm , Preuschen und anderen manifestiert hat. Eine moderne Agrargeschichte und vor allem Agrarwissenschaftsgeschichte ist von ihnen verhindert worden. Ein weiterer Faktor ist der erdrückende Vorrang des Agrarbereiches in der EWG/EU, der das große Kontinuitätsfeld für die tradierte Agrarpolitik und Agrarwissenschaft geworden ist. Der Zugang, auch der personelle Zugang, den die NS-Agrareliten, in die EWG-Kommission gefunden haben, scheint dabei über die in Wahrheit breite niederländische Kollaboration gelaufen zu sein.(z.B. Mansholt, Boerma ).
Bei den Kontakten mit den Forschern, die ich zitiert habe, hat sich gezeigt, daß ich der einzige bin, der genuin dem Agrarbereich entstammt und heute auf diesen hier bestehenden weitreichenden Forschungsbedarf hinweist. Natürlich hat das auch damit zu tun, daß ich die meisten der Akteure gekannt habe.
Meine Bitte geht dahin, innerhalb der MPG eine Beschäftigung mit diesen Fragen anzuregen und Überlegungen anstellen zu lassen, ob und inwieweit der Gesamtbereich "Agrarwissenschaftsgeschichte," der immer auch Agrarverwaltungsgeschichte ist, in Ihr Programm aufgenommen werden könnte. Wie tief die gegenseitige Durchdringung von Rasseneugenik und landwirtschaftlicher Vererbungslehre gerade in der KWG gewesen sein muß, lässt sich an der Rolle von Erwin Baur ablesen. Ich war der Bearbeiter des Werkes "Landwirtschaftliche Pflanzenzüchtung in Deutschland" (1987) mit einem Beitrag über die Geschichte der wissenschaftlichen Züchtungsinstitute und habe bei der Bearbeitung der KWG-Institute, vor allem von Müncheberg und Vogelsang Überlegungen angestellt, die von Ihrer Forschungen heute bestätigt werden. Ich darf aber auch noch auf einen anderen Ansatz hinweisen:
Die KWG unterhielt in Breslau das Institut für landwirtschaftliche Arbeitswissenschaft und später das Institut für Landarbeit und Landtechnik in Bad Kreuznach , ihrer beider Leiter war Gerhard Preuschen, mit dem ich durch etwa 20 Jahre häufigen Kontakt hatte. Ich habe ihn sehr oft erwähnen hören, dass er das Glück gehabt habe, während des gesamten Krieges "zuhause" bleiben zu können, weil er dort am meisten gebraucht wurde. Wo er während des Krieges wirklich war, nämlich "im Osten" und vor allem, was er "im Osten" zu tun hatte, hat jetzt Gerlach (Kalkulierte Morde 1999) aufgedeckt. Es wurde eigentlich nie verstanden, warum ihm die MPG dieses Institut wieder eingerichtet hat. Ich kann es mir jetzt nur durch personelle Kontinuitäten erklären. Auch zwischen Josef Mengele und seinem erfolgreichen Untertauchen und dem Agrarbereich gibt es zahlreiche Berührungspunkte, die sich nicht nur aus dem Geschäftsfeld der Landmaschinenfabrik Mengele ergeben. (...)
(beschlossen vom Präsidenten der Europäischen Union, des Rates und der Kommission anlässlich des Europäischen Rates von Nizza am 7. Dez. 2000 in Nizza)
Präambel
(Auszug):
Die
Völker Europas sind entschlossen, auf der Grundlage gemeinsamer Werte eine
friedliche Zukunft zu teilen (..).
Im
Bewusstsein ihres geistig-religiösen und sittlichen Erbes gründet sich die
Union auf die unteilbaren und universellen Werte der Würde der Menschen, der
Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität. Sie beruht auf den Grundsätzen
der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit. Sie stellt die Person in den
Mittelpunkt ihres Handelns, indem sie die Unionsbürgerschaft und einen Raum der
Freiheit, der Sicherheit und des Rechts begründet.
Die
Union trägt zur Erhaltung und zur Entwicklung dieser gemeinsamen Werte unter
Achtung der Vielfalt der Kulturen und Traditionen der Völker Europas sowie der
nationalen Identität der Mitgliederstaaten und der Organisation ihrer
staatlichen Gewalt auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene bei.
WÜRDE
DES MENSCHEN:
Art.
1: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen.
Art.
2: Jede Person hat das Recht auf Leben.
Niemand
darf zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden.
Art.
3 Recht auf Unversehrtheit
Jede
Person hat das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit. (...)
Art.
5: Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit:
Niemand
darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden.
Niemand
darf gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten.
FREIHEITEN
Art.
6: Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit.
Art.
12: Jede Person hat das Recht, sich insbesondere im politischen,
gewerkschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Bereich auf allen Ebenen frei und
friedlich mit anderen zu versammeln (...).
GLEICHHEIT
Art.
20: Alle Personen sind vor dem Gesetz gleich.
Art.
21: Diskriminierungen, insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der
Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der
Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen
Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens,
der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung, sind
verboten.
Art.
24: Kinder haben Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für ihr
Wohlergehen notwendig sind. Sie können ihre Meinung frei äußern. Ihre Meinung
wird in den Angelegenheiten, die sie betreffen, in einer ihrem Alter und ihrem
Reifegrad entsprechenden Weise berücksichtigt.
Im Vorfeld der gut besuchten Großdemonstration "Wir stehen auf für Menschlichkeit und Toleranz" am 9.11.2000 am Brandenburger Tor in Berlin rief Bundeskanzler Schröder auf zum "Aufstand der Anständigen". In seiner Neujahrsansprache am 31.12.2000 wiederholte Bundeskanzler Schröder seine Überzeugung der Notwendigkeit eines anhaltenden Engagements gegen Rassismus. Im Herbst 2000 stellte die Bundesregierung über das Arbeitsministerium 125 Mio DM für die Bekämpfung von Rassismus in Betrieben und Schulen zur Verfügung, für 2001 ist ein zusätzlicher Betrag von 40 Mio DM vorgesehen.
vom 23.01.2001 nach der Gratulation zum Amtsantritt und Referenzanfrage zur Aufklärung der agrarwirtschaftlichen wie agrarwissenschaftlichen Planung von Hungertod vor dem Überfall auf die Sowjetunion 1941:
Sehr geehrter Herr Burchard,
für Ihre guten Wünsche zu meinem Amtsantritt als Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft bedanke ich mich herzlich. Ich verspreche Ihnen, dass ich meine klare Werteorientierung bewahren werde.
Ich finde es großartig, wenn sich Bürgerinnen und Bürger aktiv mit der NS-Vergangenheit befassen. Ihre differenzierten Ausführungen zeigen, dass Sie sich mit großem Sachverstand in das weite Problemfeld der NS-Zwangsarbeit eingearbeitet haben.
Zu Ihren Fragen im einzelnen:
M.f.G. R. Künast
Der Kulturstaatsminister wäre gern bei der geplanten Enthüllung der Gedenktafel Luisenstrasse 56 persönlich anwesend gewesen. Er bedauert, dass aus Zeitgründen auch die Zusendung eines Grußwortes nicht mehr möglich war und bittet um zukünftige Unterrichtung. Zur koordinierten inhaltlichen Vorbereitung empfiehlt er die Kontaktaufnahme mit der SPD-Arbeitsgruppe Kultur und Medien unter Leitung von Frau Igrun Drechsler. Der Kulturstaatsminister sieht in Analogie zur langjährig und hart erarbeiteten deutsch-französischen Freundschaft nun vom Regierungssitz Berlin aus eine besondere Aufgabe und Verpflichtung zur geschichtlichen Aufarbeitung und intensiven Beziehungspflege mit unseren östlichen Nachbarn. (Nachbemerkung: Die geplante Wiederanbringung der Gedenktafel am 27.01.2001 wurde nach 75 Tagen Bedenkzeit 22 Stunden vorher durch das Präsidialamt der Humboldt-Universität überraschend untersagt und fand daher nicht statt)
durch Prof. Hanns-Fred Rathenow, Institut für Fachdidaktiken, Fachbereich Erziehungs- und Unterrichtswissenschaften, Technische Universität Berlin, 13. Februar 2001
Lieber Herr Burchard,
haben Sie herzlichen Dank für die regelmäßige Zusendung ihrer Informationen zum Stand Ihrer Bemühungen, Hintergründe der Entwicklung des Generalplans Ost zu erhellen. Als Didaktiker der Sozialkunde gehört nicht nur die Politik der Entrechtung, Ausgrenzung und Vernichtung von Minderheiten in der NS-Zeit und deren unterrichtliche Bearbeitung zu meinen Lehrgegenständen, sondern auch die Frage, wie die deutsche Nachkriegsgesellschaft bis in die heutigen Tage hinein versucht, die unbequeme eigene Vergangenheit zu verdrängen und zu vertuschen. Der Umgang mit Ihrem Anliegen, den Sie offensichtlich auch durch Angehörige Ihrer Universität erfahren, scheint mit in diese Traditionslinie zu gehören. Millionen Menschen im Rahmen des Generalplans Ost zu "rassisch unerwünschter" Bevölkerung, zu Menschen zweiter Klasse zu erklären, hat dazu beigetragen, den Boden für einen Vernichtungskrieg gegen die Völker des Ostens zu bereiten, dem ca. 20 Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind. Von daher verdient die Geschichte des Generalplans Ost nun fast 60 Jahre nach seiner Veröffentlichung eine entsprechende Rezeption.
Ich wünsche Ihnen für Ihr Vorhaben, die Beziehungen aufzuhellen, die zwischen der Wissenschaftsförderung durch die damalige DFG und den Plänen des Reichssicherheitshauptamtes als Miturheber des Generalplans Ost bestanden, guten Erfolg und bitte Sie, mich weiterhin auf dem Laufenden zu halten.
Mit freundlichen Grüßen Hanns-Fred Rathenow
Betr: Wissenschaftliche Aufklärung der Zwangsarbeits- und
Genozidplanung 1939 bis 1945
Sehr geehrter Herr B.,
es wird stets das Bemühen des Universitätsarchivs der Freien Universität sein, Ihnen die bei uns vorhandenen Quellen für Ihre Forschungen nutzbar zu machen. (...)
Mit freundlichen Grüßen
(Unterschrift)
(Dr. Michael Engel)
Dear Mr. Burchard,
Thank you very much for your enthusiasm
related to documentation of genocide crimes committed by Nazis and their German
collaborators. As I understand your main task is to show how the German
scientists helped Nazis in preparing the "Generalplan Ost", which included also
the biological elimination of scientists from Central and East European
countries.
Our association NE CEDAT ACADEMIA since several years keeps alive the memory of thousands of Nazi victims belonging to the Polish academic community. Perhaps the most significant, among so many, are the crimes committed on Cracow and Lwov Professors. With relation to your two specific questions
Sehr geehrter Herr Burchard,
Brigadegeneral Trull hat mich beauftragt, Ihr Schreiben vom 28.02.2001 zu bearbeiten und auch zu beantworten. Er bedankt sich sehr für Ihren Brief und läßt Sie grüßen.
Die Ausbilder der Panzertruppenschule sehen es als Kompliment an, wenn sich ehemalige Lehrgangsteilnehmer an ihre Unterrichtung im Fach "Innere Führung nach 20 Jahren noch so gut erinnern. Vermutlich war es der Leitsatz 10 der "Leitsätze für Vorgesetzte", den Sie für Ihre Zwecke umformulieren möchten (Historische Fehler und Irrtümer einzugestehen schadet der persönlichen Autorität des deutschen Wissenschaftlers nicht).
Ich übersende Ihnen, Ihrer Bitte entsprechend, eine Ausfertigung dieser Leitsätze in der Hoffnung, Ihnen damit geholfen zu haben.
Mit freundlichem Gruß
P. Fleckenstein, Hauptmann
Alte Leitsätze für Vorgesetzte, Leitsatz Nr. 10 vollständig: "Der Vorgesetzte bemüht sich um Selbstkontrolle. Gegenüber kritischen Vorstellungen seiner Untergebenen ist er aufgeschlossen. Eigene Fehler einzugestehen schadet der Autorität nicht.
Innengedenktafel Luisenstraße 56 / Ihre Schreiben vom 20.07.2000, 05.03.2001, 09.04.2001
Sehr geehrter Herr Burchard,
haben Sie vielen Dank für die guten Wünsche zu meiner Wahl zum Ärztlichen Direktor dieses Hauses sowie auch für den bereits vorab übermittelten Text für die Innengedenktafel in der Luisenstrasse 56.
Nachdem mir nun Ihr bereits im März avisiertes ausführliches Schreiben nebst Anlagen vorliegt, bat ich die Medizinhistoriker unseres Hauses um Prüfung und Stellungnahme.
Bitte haben Sie Verständnis dafür, daß die Bearbeitung dieser komplexen Problematik einige Zeit in Anspruch nehmen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. M. Dietel
Sehr geehrter Herr Burchard,
auf Ihr Schreiben vom 9. April 2001 teile ich Ihnen mit, dass jede Tätigkeit zu begrüßen ist, die darauf abzielt, das Unrecht der nationalsozialistischen Zeit näher aufzuklären. Den Vorschlag einer Gedenktafelanbringung begrüßen wir ebenso wie Forschungen zum "Generalplan Ost".
Mit freundlichen Grüßen
Johnigk, Geschäftsführer
Sehr geehrter Herr Burchard,
die Berliner Polizei begrüßt selbstverständlich jede Initiative, die geeignet ist, nationalsozialistisches Unrecht aufzuklären. Für dieses schwierige Vorhaben nach so langer Zeit wünschen wir Ihnen viel Erfolg. (...) Vielleicht dient es Ihrem Vorhaben, wenn Sie mit der Leiterin unserer
Polizeihistorischen Sammlung, Frau Dr. Schönefeld, erreichbar unter Ruf-Nr...., in Kontakt treten.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag Dörr
Sehr geehrter Herr Burchard,
besten Dank für Ihren Brief vom 13. Februar 2001, der erst am 10. April bei mir eingegangen ist. Ihr Hinweis auf dem im Erinnerungsband zur Gedenkstätte Plötzensee abgedruckten Brief vom 15. September 1943 (kostenlose Broschüre "Gedenkstätte Plötzensee", Hg: Gedenkstätte Deutscher Widerstand, 2. Auflage Berlin 1995, Seite 63) ist erschütternd. Das Dokument macht klar, dass einzelne Personen und Institute unserer Universität in besonderer Weise in die Verbrechen des Nazi-Regimes einbezogen waren.
Da wir gerade dabei sind, die historischen Passagen im Entwurf zu den "Leitlinien zum Leitbild" zu überarbeiten, nehme ich Ihren Hinweis zum Anlass, um die Verstrickungen der Universität in die Politik zwischen 1933 und 1945 deutlicher zu betonen. Insofern bin ich Ihnen zu Dank verpflichtet.
Mit besten Grüßen
Ihr Volker Gerhardt
Sehr geehrter Herr Burchard,
mit Interesse habe ich von
Ihrem Vorhaben, der Anbringung einer Gedenktafel im Gebäude Luisenstrasse 56,
erfahren.
Die Würdigung der in Plötzensee Hingerichteten durch eine Gedenktafel im dortigen Institut findet meine volle Unterstützung. Ich bedauere, dass Ihnen bisher so zahlreiche Schwierigkeiten bei der Umsetzung Ihres Vorhabens begegneten. Vielleicht ist das Angebot der Universität in ihrem Schreiben vom 26.01.2001, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, ein Weg, der bedacht werden sollte. Zum Text der Tafel, insbesondere den "Generalplan Ost" betreffend, halte ich mich nicht für kompetent.
Mit freundlichen Grüßen
P.
Lieber Matthias,
vielen Dank für die news. Auch wenn Ihr auf der Demo nur
sehr wenige wart: sie war sehr wichtig. Weiter so unverzagt!
Herzliche
Grüße,
Karl Heinz Roth
hier Originalbriefansicht von K.-H. Roth, Hamburger Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts, 26.01.1997
Sehr geehrter Herr Burchard,
(...) In Ihrer Mail vom 21.4. hatten Sie nochmals die
Weimarer Jahresversammlung (der Hochschulrektorenkonferenz 1999) erwähnt. Ich
lege Wert auf die Feststellung, dass Thema und Programm, insbesondere der
Besuch des KZ Buchenwald ausschließlich auf meinen Vorschlag im Präsidium
beruhten, dem dann einhellige Zustimmung folgte. Aus den neuen Ländern gab es
dazu weder Vorschlage noch Wünsche. Ich freue mich aber über Ihre
positive Einschätzung. Zum Inhalt des von "WiD" "Wissenschaft im
Dialog" entwickelten Programms für den Berliner Wissenschaftssommer 2001
weise ich darauf hin, dass hier die HRK nur eine unter relativ vielen
Stimmen hat. Ich selbst hätte die Akzente wohl etwas anders und
auch selbstkritischer gesetzt..
Mit freundlichen Grüßen
Professor
Dr. Klaus Landfried
Dieses Symposium ist Teil des Bestrebens der MPG, (...) alle Tatsachen über
ihre Geschichte rückhaltlos offenzulegen und damit Licht in das Dunkel der
eigenen Vergangenheit zu bringen. Wir müssen bereit sein - auch und gerade, wenn
es schmerzlich ist -, die Wahrheit anzunehmen und uns der Vergangenheit zu
stellen, um aus der Einsicht in die Vergangenheit für Gegenwart und Zukunft zu
lernen. Dies sind wir vor allem den Opfern der nationalsozialistischen Ideologie
schuldig, den vielen toten genauso wie den wenigen überlebenden. (...) Dem
ungeschönten, historisch dokumentierten Wissen über die Verbrechen, die damals
begangen wurden, lässt sich hingegen nicht ausweichen. (...)
Ein Erbe
anzutreten, heißt allerdings, Verantwortung für das Ganze zu übernehmen, sowohl
für das Positive (..), als auch für das Negative, und das bedeutet, wenn es sein
muss, auch das Eingeständnis von Schuld. (...)
Die Kommission (..) soll aber
auch deutlich erkennbar machen, wo moralische Charakterstärke und
wissenschaftliches Ethos Menschen veranlasste, der Versuchung entgrenzender
Forschungsmöglichkeiten zu widerstehen. (...)
Auch wenn die meisten von uns
heute keine persönliche Schuld tragen können, weil sie erst später geboren
wurden, bleibt es die Aufgabe der heutigen wie aller zukünftigen Generationen,
der historischen Wahrheit ins Auge zu sehen. (...)
Weil wir die Wissenschaft zu
Recht für eine der größten menschlichen Leistungen halten, muss uns vor einem
vorgeblich wissenschaftlich begründeten Rassismus und einer angeblich
wissenschaftlich gerechtfertigten Menschenvernichtungspraxis noch mehr schaudern
als vor allen anderen Arten peinigender Entwürdigung und Entrechtung von
Mitmenschen. (...)
Konkret und vollständig ist ein Schuldbekenntnis erst, wenn
es sich unmittelbar an die Opfer wendet. (..)
Persönlich den Opfern
gegenüberzutreten ist eine schmerzliche Form der Begegnung mit der
Vergangenheit. Gleichzeitig wächst daraus der nachhaltigste Ansporn, mit aller
Kraft weiterzuarbeiten an der rückhaltlosen Aufklärung. (..)
Wahrheit macht zwar
nicht frei von Schuld und Scham, aber sie macht frei von Lüge und Verdrängung
und öffnet den Weg in eine Zukunft, die aus der Vergangenheit lernen kann. Die
ehrlichste Art der Entschuldigung ist die Offenlegung der Schuld. (..)
.
vollständiger
Redetext hier ;
Das StudentInnenparlament der Humboldt-Universität zu Berlin stellt fest, dass insbesondere die Deutsche Forschungsgemeinschaft in Bonn, die Berliner Wissenschaftsverwaltung und die Leitung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF, Hannoversche Str.) der Bitte des offenen Briefes des RefRat HUB vom 30. Mai 2000 um eine eindeutige Stellungnahme zur vorsätzlichen Berliner Wissenschaftsplanung von Zwangsarbeit und Genozid für 25 bis 50 Millionen "rassisch unerwünschte" Mitttel- und OsteuropäerInnen in keiner Weise entsprochen haben. Inzwischen ist durch eine erneute Kontextstudie des "Generalplan Ost" der Berliner Universität vom 28.05.1942 die projektierte Zwangsarbeitsplanung in Rücksprache mit dem MPI für Wissenschaftsgeschichte auf acht Milliarden Stunden nach oben korrigiert worden. Das grosse Informationsdefizit zur wissenschaftlichen Zwangsarbeitsplanung in Berlin-Dahlem (1939-1945) ist klar mitverantwortlich für die schleppende praktische Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter. Seit drei Jahren hängt zudem eine wahrheitswidrige Informationstafel am originalen universitären Institutsgebäude in Dahlem, die kaum anders als eine praktische pädagogische Leugnung des Berliner Generalplan Ost aufgefasst werden kann. Trotz inzwischen erfolgtem Regierungsumzug nach Berlin, der Wahl von "Menschenmaterial" als Unwort des 20. Jahrhunderts und der aktuellen Bioethik-Diskussion ist überraschenderweise im Programm des Wissenschaftssommers 2001 in Berlin keine konkrete Reflexion von historischen Machtmissbrauch, Verantwortung und Menschenrechtsfragen erkennbar. Auch in der bisherigen Verwendung der Sonderforschungsmittel des Bundes für die nächsten 10-12 Jahre ist eine konkrete und präventive Rassismusforschung zur Stabilisierung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Mitteleuropa bisher leider nicht vorgesehen. Zwecks eindeutiger Werteorientierung und der Vermittlung von Sozialkompetenz für Studierende als zukünftige überdurchschnittliche Verantwortungsträger bittet das StuPa hiermit dringend um die Aufnahme folgender Ergänzungsvorschläge im Programm des Wissenschaftssommers 2001 in Trägerschaft des BMBF, des Stifterverbandes der Deutschen Wirtschaft für die Deutsche Wissenschaft und der Deutschen Forschungsgemeinschaft:
(..) Grundsätzlich halte ich die detaillierte Erforschung der Geschichte der planungswissenschaftlichen Arbeiten "für die neue Ostbesiedlung" im Rahmen des "Generalplans Ost" für außerordentlich wichtig. Einiges an Arbeiten ist dazu ja auch glücklicherweise bereits geleistet. Wenn das Begonnene fortgesetzt und vertieft werden könnte, hielte ich das für eine gute Sache. Mit freundlichen Grüßen Dr. Volkhard Knigge, Stiftungsdirektor
Ihre Eingabe vom 23.06.01
Für Ihr in dem vorstehend genannten Schreiben dargelegtes Anliegen habe ich großes Verständnis. Die Entscheidung über die Anbringung einer Gedenktafel in Räumen der Humboldt-Universität obliegt aber allein dem Inhaber des Hausrechts über die Universitätsgebäude. Den Strafverfolgungsbehörden fehlt die Kompetenz, darüber zu befinden. (..) Mit freundlichen Grüssen Dr. M.
Empfehlung
Die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten begrüßt das von Herrn Burchard vorgeschlagene Projekt zum "Generalplan Ost". Gerade neuere wissenschaftliche Studien belegen, wie wichtig die Arbeit der "intellektuellen Vordenker" für die Verwirklichung des rassistischen Programms der Nationalsozialisten war. Leider ist dies immer noch unvollständig erforscht. Außerdem ist die Beteiligung von Universitäten und Institutionen an den Planungen der Nationalsozialisten für rassischen Unterwerfungen der geplanten Siedlungsgebiete immer noch in der Öffentlichkeit zu wenig bekannt. Wir empfehlen daher das von Herrn Burchard vorgeschlagene Projekt wärmstens. Mit freundlichen Grüßen Dr. Morsch, Stiftungsdirektor
zur Dahlemer Zwangsarbeits- und Genozidplanung (1939-1945) und der Geschichte der DFG in Berlin-Steglitz, eingebracht von der Fraktion der AuslaenderInnenliste, am 19.07.01 um 22.00 Uhr mit einer Enthaltung ohne Gegenstimme angenommen:
Das Studierendenparlament der Freien Universität Berlin stellt fest, dass insbesondere die Deutsche Forschungsgemeinschaft in Bonn, die bis 1945 in Berlin-Steglitz in der Grunewaldstrasse 35 ihren Hauptsitz hatte, der Bitte der StuPa-Resolution der FUB vom 26.05.2000 zu einer eindeutigen öffentlichen Stellungnahme zur wissenschaftlichen Zwangsarbeits- und Genozidplanung für 25 bis 50 Millionen "rassisch unerwünschte" Mittel- und Osteuropäer im Dahlemer SS-Planungsamt (RKF) in der Podbielskiallee 25/27 mit grosszügiger DFG-Forschungsförderung in Höhe von ein bis zwei Prozent des DFG-Jahresetats (1941-1945) in keiner Weise entsprochen hat. Auch auf dem DFG-Symposium im Harnack-Haus vom 18.-20.05.2000 zur deutschen Wissenschaftsgeschichte von der Kaiserzeit bis zur Nachkriegszeit ist im Gegensatz zur Programmankündigung die mehrjährige Dahlemer Zwangsarbeits- und Genozidplanung des Generalplan Ost nicht behandelt worden.
Im Februar 2001 führte eine erneute Kontextstudie des "Generalplan Ost" der Berliner Universität vom 28.05.1942 zur Korrektur der projektierten Zwangsarbeitsplanung auf etwa acht Milliarden Stunden. Das DFG-finanzierte SS-Planungsamt (RKF) brachte am 29.10.1942 einen "Generalsiedlungsplan" mit dem Zusatz "streng geheim" heraus. Darin war die "Eindeutschungsfähigkeit" für polnische Menschen auf fünf Prozent festgelegt und die Gesamtzahl der "rassisch Unerwünschten" und somit "nichteindeutschungsfähigen" Menschen nach den rassistischen Selektionskriterien der Deutschen Volksliste unter Einschluß des Baltischen Raumes auf 30,78 Millionen Menschen bei Gesamtkosten von 144 Milliarden Reichsmark projektiert. Auch für das SS-Planungsamt (RKF) war Zwangsarbeit als Maßnahme zur Kostenreduzierung vorgesehen: Der Mitarbeiter und Architekt Udo v. Schauroth schlug gegenüber E. Mäding zum Vermerk "Eigenes Finanzierungsinstitut" (Bundesarchiv R 49/986, in: C. Madajczyk (Hg) 1994 S. 257-260) vor, durch den "Einsatz von Häftlingskolonnen für den gesamten und nicht nur für den ländlichen Aufbau sowie "sehr starke Rationalisierung" noch 30% der Baukosten bzw. nach Abzug der Häftlingsversorgung noch 15% der Gesamtkosten, entsprechend 18,3 Mrd. Reichsmark, einzusparen (v. Schauroth 1943 S. 259).
Das StuPa der FUB ist befremdet, dass sich die DFG mit der Verweigerung des Eingeständnis der NS-Zwangsarbeitsplanung bisher sowohl ihrer historischen Schreibtischtäterschaft als auch jeglicher sozialer Verantwortung durch Nichtermutigung der früheren Studierenden in ihren heutigen Führungspositionen in der deutschen Wirtschaft bei der Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter radikal entzogen hat. Auch im Programm des Wissenschaftssommers 2001 in Berlin ist überraschenderweise keine konkrete Reflexion zum vermutlich schwersten Verbrechen in der Wissenschaftsgeschichte, zum Generalplan Ost, erkennbar. Die Freie Universität Berlin hat sich bei ihrer Gründung in ihrem Wappen unübersehbar der Wahrheit, der Gerechtigkeit und der Freiheit verpflichtet. Da die FUB zwangsweise Mitglied der DFG ist als zentrale Selbstverwaltungsorganisation der deutschen Wissenschaft, bittet das StuPa der FUB den Präsidenten der DFG eindringlich um Beendigung der bis 1945 auferlegten Verpflichtung zur Geheimhaltung und der sofortigen und rückhaltlosen Offenlegung und angemessenen Dokumentation der Dahlemer und Steglitzer Forschungsförderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft vor bzw. bis 1945. Zwecks eindeutiger informatorischer Aufklärung und der Vermittlung von sozialer Verantwortung für Studierende als zukünftige überdurchschnittliche Verantwortungsträger unterbreitet das StuPa der FUB hiermit folgende konkrete Ergänzungsvorschläge für das Programm des Wissenschaftssommers 2001 in Trägerschaft des BMBF, des Stifterverbandes der Deutschen Wirtschaft für die Deutsche Wissenschaft und besonders der Deutschen Forschungsgemeinschaft:
1. Sofortige geeignete Herausgabe einer Kurzpublikation zur mehrjährigen wissenschaftlichen Zwangsarbeitsplanung in Berlin-Dahlem (1939-1945) im universitären Agrarinstitut (Agrarwesen und Agrarpolitik, Berliner Universität) und im DFG-finanzierten SS-Planungsamt (RKF) sowie öffentliche Vorstellung der zweiten Auflage des DFG-Projektberichts von Gert Gröning zur NS-Landespflege im Nationalsozialisums und während des II. Weltkriegs in den "eingegliederten Gebieten" durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft Bonn/Berlin;
2. Einladung von Prof. Thomas Kuczynski zu einem grossen öffentlichen Vortrag mit Vorstellung seiner Expertise zur wirtschaftlichen Bedeutung der NS-Zwangsarbeit vor wichtigen Repräsentanten der Wirtschaft und der Wissenschaft und vor Studierenden im Rahmen des Wissenschaftsommers 2001 in Berlin
3. Anbringung einer geeigneten Gedenktafel zum Berliner Generalplan Ost an mindestens einem universitären Gebäude bis zum 31.10.2001;
4. Eindeutige Stellungnahme und sofortige notwendige Forschung des BMBF zur Beteiligung des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung bei der "Vernichtung polnischer Intelligenz" 1939/1940 in Kooperation mit sowjetischen Stellen;
5. Einrichtung eines Berliner Forschungszentrums zu Widerstand gegen den Nationalsozialismus aus Sonderbundesmitteln mit einer bundesweiten universitären NS-Widerstandsforschung unter allen Statusgruppen in enger Kooperation mit Wissenschaftseinrichtungen in Mitteleuropa und Israel mit deutlicher Erweiterung und solider Grundausstattung des FU-Osteuropa-Instituts
6. Einrichtung eines Berliner Forschungszentrums zu "Ethik und Verantwortung in der Wissenschaft" aus Sonderbundesmitteln mit der überfälligen völkerrechtlichen und agrarhistorischen Aufarbeitung des Berliner "Generalplan Ost" als dem vermutlich schwersten Verbrechen in der Wissenschaftsgeschichte, Einrichtung einer Berliner Dauerausstellung "Vom Nobelpreis zum Generalplan Ost" und umfassende geistesgeschichtliche Analyse des europäischen Rassismus unter besonderer Berücksichtigung der Dahlemer Wissenschaftgeschichte einschliesslich der ersten erfolgreichen Uranatomkernspaltung am 22. Dez. 1938 und der Dahlemer Genozidplanung für die Sinti und Roma.
7. Herstellung von Transparenz in der Hausgeschichte des Stifterverbands der Deutschen Wirtschaft für die Deutsche Wissenschaft mit öffentlicher Auftragsvergabe an unabhängige Historiker und späteren öffentlichen Vorstellungen von Zwischenergebnissen und einem Abschlußbericht sowie Offenlegung der bisherigen Spendenzuwendungen des Stifterverbandes an die Deutsche Forschungsgemeinschaft seit 1953.
Liebe Mitarbeiter und Studenten,
Entsetzen und Abscheu erfüllen die Menschen in Deutschland angesichts der
fürchterlichen Terroranschläge in den Vereinigten Staaten. In Gedanken sind wir
bei den Menschen in Amerika.
Wir verurteilen diesen unfassbaren Terror, für
den es keine Rechtfertigung gibt. Wer immer diese Verbrechen begangen und zu
verantworten hat, muß zur Rechenschaft gezogen werden.
Das Präsidium der
Humboldt-Universität ruft alle KollegInnen und StudentInnen auf, morgen, am
Donnerstag, dem 13. September, um 10 Uhr für fünf Minuten in der Arbeit
innezuhalten und ein Zeichen zu setzen: ein Zeichen der Verurteilung des
Terrors, der Anteilnahme und des Mitgefühls und der Freundschaft mit dem
amerikanischen Volk, ein Zeichen für Frieden und Freiheit.
Prof. Dr. Jürgen Mlynek/Präsident
Text einer Urkunde zur Erinnerung an die Woche der KOMMILITONEN VON 1933
15. bis 20. Oktober 2001
Herrn/Frau XY
In der Zeit des Nationalsozialismus hat die damalige Friedrich-Wilhelms-Universität, heute Humboldt-Universität, mit der Vertreibung von Studenten und Wissenschaftlern aus ihren Reihen große Schuld auf sich geladen.
Für dieses Unrecht möchte sich die Humboldt-Universität zu Berlin entschuldigen.
Die Einladung an die "Kommilitonen von 1933" kann nur eine symbolische Wiedergutmachung sein, die zeigen soll, dass sich die Humboldt-Universität ihrer Verantwortung aus der Geschichte und vor den Opfern stellt.
Die Beschäftigung mit diesem Kapitel der Vergangenheit dieser Universität soll auch in Zukunft fortgeführt werden und zu jeder Zeit an die Bedeutung und den Wert von Demokratie und Freiheit gemahnen.
Berlin, im Oktober 2001
(Unterschrift)
Prof. Dr. Jürgen Mlynek
Präsident der HU zu Berlin
(..) Wir begrüßen grundsätzlich Ihr außerordentliches Engagement gegen die Verdrängung nationalsozialistischer Verbrechen und Ihren Einsatz für ein angemessenes Gedenken an die Opfer der Gewaltherrschaft. Auch ist uns der menschenverachtende, schreckliche Impetus des sog. Generalplans Ost bewußt und bekannt. Natürlich lehnen wir auch eine weitere, wissenschaftlich kompetente Erforschung des nationalsozialistischen Planungswahns keineswegs ab, ebenso wenig wie eine angemessene Erinnerungspolitik. (...)
Mit freundlichen Grüßen, Prof. Lothar Romain
Frau Prof. Dr. Anne-Barbara Ischinger
betreff: Generalplan Ost, wissenschaftliche Aufarbeitung der Autorenschaft der Agrarfakultät der Berliner Universität
Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin,
ich bin über die Veranstaltung zu obigem Thema mit Podiumsdiskussion am 23. November 2001 informiert worden.
Seit langer Zeit befasse ich mich auch selbst mit Themen, die der Aufarbeitung des im Dritten Reich von unserem Volk verübten Unrechts dienen sollen. Ohne Bewusstmachung geht dies nicht. Dass endlich auch der ganze Komplex des "Generalplan Ost" in diese Bemühungen einbezogen wird, darauf warte nicht nur ich schon lange. Hier hat die Humboldt-Universität eine Bringeschuld.
Wann geschieht hier endlich etwas konkretes, nachdem jetzt sogar die Max-Planck-Gesellschaft ihre einschlägige Vergangenheit als Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zum Gegenstand eigener Forschungen und Publikationen gemacht hat?
Mit der Bitte um kurze Rückantwort zeichne ich mit vorzüglicher Hochachtung
(Unterschrift), Rechtsanwalt
1. Das Studierendenparlament bedauert ausserordentlich, daß um die
Beteiligung der Berliner Universitäten und der Deutschen Forschungsgemeinschaft
an der Entwicklung des sogenannten " Generalplan Ost" kein offener Diskurs
stattfindet. Unter anderem hat die DFG von 1939-1942 Arbeiten finanziert, die
Grundlage des " Generalsiedlungsplanes" waren, in dem 25-50 Millionen Menschen
als "rassisch unerwünscht" eingestuft werden. Mindestens 300.000 Menschen
sollten den "Ostaufbau" als Zwangsarbeiter vorantreiben. Sechzig Jahre danach
sollte die DFG in der Lage sein, sich ihrem Forschungsauftrag, auch die eigene
Geschichte und die ihrer Finanziers betreffend, uneingeschränkt zu widmen. Der
UdK-Wissenschaftler Prof. Dr. Gert Gröning ist Co-Autor der Studie " Der Drang
nach Osten. Zur Entwicklung der Landespflege im Nationalsozialismus und während
des zweiten Weltkrieges in den eingegliederten Ostgebieten", die sich u.a. mit
dieser Thematik beschäftigt. Das lange vergriffene und oft nachgefragte Werk
soll eine zweite Auflage erfahren, deren Finanzierung bisher nicht geklärt ist.
Das StuPa der UdK Berlin möchte die Deutsche Forschungsgemeinschaft dazu
bewegen, die Druckkosten dieser zweiten Auflage zu tragen. Es liegt im
allgemeinen Interesse und im speziellen der DFG, derartig heikle Bereiche der
Historie wissenschaftlich fundiert zu dokumentieren und so im Bewußtsein der
Allgemeinheit wahrhaftig zu wirken. Die DFG könnte mit einer solchen
Unterstützung signalisieren, daß der Lauf der Zeit auch eine Wende im Geist mit
sich gebracht hat.
2. In demokratischen Gesellschaften wie der
deutschen ist mit der Meinungsfreiheit auch Tendenzen Raum gegeben, die
Andersdenkende ausgrenzen oder Menschen z.B. wegen Herkunft, Religion oder
Aussehen diffamieren. Menschen müssen in der Lage sein, dieser täglichen
Unterdrückung entgegenzutreten, müssen lernen, eigenverantwortlich die Gehalte
eigener und fremder Äußerungen und Handlungen von solchen Tendenzen zu
befreien. Es ist im Sinne des Bildungsauftrages der deutschen Hochschulen,
solche kritische Widerstandsfähigkeit in der Bevölkerung zu etablieren. Berlin
als historischer Ort, größte deutsche Stadt, Hochschul- und Forschungsstandort,
deutsche Hauptstadt und nicht zuletzt als Wohnort vieler hier ursprünglich
fremder Menschen aus dem In- und Ausland, wäre ein idealer Standort zweier zu
gründender Einrichtungen:
1. ein Forschungszentrum zu Widerstand unter
totalitären Bedingungen
2. ein Forschungszentrum zu Ethik und Verantwortung in der
Wissenschaft
Das Studierendenparlament der UdK Berlin unterstützt die
Bemühungen der Humboldt-Universität Berlin und im speziellen Matthias Burchards,
Teile der zweckgebundenen UMTS-Lizenzerlöse hierfür zu erwirken. Den Hochschulen
sollte dieses Forschungsfeld ein existentielles Interesse sein. Die
Hochschulleitung der UdK Berlin wird dringend gebeten, sich in diesem Sinne zu
verwenden. Die politischen Entscheidungsträger sind aufgefordert, sich dem
anzunehmen.
Herrn Präsidenten Prof. Dr. Jürgen Mlynek,
Humboldt-Universität
Sehr geehrter Herr Präsident,
wir hatten vor längerer Zeit mit Ihrem Vorgänger über die Frage der Rehabilitierung der in den Jahren ab 1933 relegierten oder anders von der Berliner Universität vertriebenen Studentinnen und Studenten korrespondiert und wir haben uns sehr gefreut, zu lesen, wie grossartig die Einladung zum diesjährigen Semesterbeginn an die "Ehemaligen" gestaltet wurde und welche Genugtuung sie für die Eingeladenen bedeutete. Wir danken Ihnen und allen Beteiligten, vor allem den Studenten, die mitgeholfen haben, diese Einladung zu einem Erfolg zu machen.
Erlauben Sie mir, ein anderes Problem anzusprechen, über das wir bereits vor längerer Zeit einmal im Vorstand sprachen. Sie haben am 27. Januar Herrn Matthias Burchard die Anbringung einer Gedenktafel über den Generalplan Ost verweigert. Dass Sie als Hausherr dazu das Recht haben, ist unbestritten. Dürfen wir Sie bitten, den Plan einer solchen Gedenktafel dennoch nicht ganz zu verwerfen? Dass an den Generalplan Ost mit einer Gedenktafel erinnert wird, halten wir für wichtig und richtig und hoffen, dass die Anbringung einer Tafel am Haus Luisenstr. 56 ebenso möglich sein wird wie die Anbringung einer Tafel in der Thielallee 88-92 über die schließlich zum Massenmord führende rassistische Verfolgung der Sinti und Roma oder die Gedenktafel am Haus Ihnestr. 22 über das Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre
Dr. Christine Fischer-Defoy
Vorsitzende
Sehr geehrter Herr Burchard,
haben Sie vielen Dank für Ihren ausführlichen Brief vom 30. Oktober diesen Jahres. Wegen eines längeren Auslandsaufenthaltes ist es mir jetzt erst möglich, Ihren Brief zu beantworten.
Ich begrüße Ihr Engagement, Aufklärung über den Generalplan Ost und seine wissenschaftliche Verquickung mit der damaligen Friedrich-Wilhelms-Universität zu schaffen. Es ist meiner Meinung nach wichtig, daß auch zweifellos renomierte Institutionen wie die heutige Humboldt-Universität zu Berlin sich ihrer Vergangenheit im "Dritten Reich" bewußt werden und sich der Geschichte stellen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer wichtigen Arbeit und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
(Unterschrift) Dr. Alexander Brenner
Berlin, 12. Dezember 2001
Ich frage den Senat:
F.d.R. Benjamin-Immanuel Hoff
Antwort der Senatsverwaltung vom 7.02.02 siehe hier
Sehr geehrter Herr Burchard,
die Berliner Gesellschaft für Faschismus- und Weltkriegsforschung e.V. unterstützt alle Bemühungen zur Erforschung von Faschismus und Krieg und zur Verbreitung der Kenntnisse über die Epoche der von Deutschland ausgehenden Verbrechen gegen Frieden und Humanität.
Wir begrüßen Ihre Initiative, die Humboldt-Universität zu Berlin zu veranlassen, in geeigneter Weise eindeutig und wissenschaftlich exakt daran zu erinnern, daß wesentliche Teile der als "Generalplan Ost" bekanntgewordenen Planungsunterlagen zur "Germanisierung" Polens und der damaligen Sowjetunion im Institut für Agrarwesen und Agrarpolitik der Berliner Universität entstanden sind.
Ihr beharrliches Eintreten für die Erforschung des Komplexes "Generalplan Ost" und insbesondere der Beteiligung der Berliner Universität an der Erarbeitung jener Planung zur Kolonisierung der von der Wehrmacht eroberten "Ostgebiete" findet unsere Unterstützung.
Bei Ihren künftigen Bemühungen um Aufklärung und Dokumentation dieses Kapitels verbrecherischer wissenschaftlicher Politikberatung dürfen Sie sich des fachkundigen Rats unserer Vereinsmitglieder ebenso gewiß sein wie bei der für die Entwicklung kritischen Bewußtseins notwendigen Erinnerung an universitäre Forschung, die jegliche Bindung der Wissenschaft an Humanität und Frieden annnulierte.
Mit freundlichen Grüssen
(Unterschrift) Dr. Susanne Willems
An den Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin, Herrn Prof. Dr. Jürgen Mlynek
Sehr geehrter Herr Präsident,
im kommenden Jahr jährt sich zum 60. Mal die Ausarbeitung jener extremen völkermörderischen Planungsvariante für ein "Europa unterm Hakenkreuz", die unter dem Namen "Generalplan Ost" (GPO) bekannt geworden ist. Da die Erforschung dieser SS-Variante für die deutsche Beherrschung, Besiedlung, Ausbeutung der osteuropäischen Gebiete einerseits, der Unterdrückung Aussiedlung, "Umvolkung" und Ausrottung ihrer Bewohner andererseits über Jahrzehnte zunächst von ausländischen bzw. von deutschen Historikern erforscht worden ist, die nicht die Humboldt- Universität angehören, ist es meines Erachtens nunmehr geboten, daß die Universität die im eigenen Hause seit einigen Jahren angelaufenen Forschungen nachdrücklich unterstützt. Als Herausgeber der wissenschaftlichen Halbjahresschrift "Bulletin für Faschismus- und Weltkriegsforschung" befürworte ich sehr diese Arbeiten.
Wie Sie wissen, ist der "GPO" nicht nur die extreme Variante der deutschen Herrschaftsplanung, sondern ebenso Ausdruck der Perversion deutscher Wissenschaftler im Dienste der Expansionsplanung. Und hier ist die Humboldt-Universität gefordert, nicht nur öffentlich Stellung zu nehmen, sondern aktiv eigene Projekte zu diesem makabren 60. Jahrestag zu entwickeln. Das Institut für Agrarwesen und Agrarpolitik der damaligen Berliner Universität unter seinem Leiter Prof. Dr. Konrad Meyer hat faktisch diesen Plan für RFSS H. Himmler erarbeitet. Ohne die Sachkenntnis und Erfahrung, die Professionalität und den wissenschaftlichen Apparat des von Meyer geleiteten Instituts hätte Himmlers Stabsamt des "Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstum" (RKF) allein niemals einen solchen Plan erarbeiten können. Um so wichtiger ist es, die bisher keineswegs ausreichenden Forschungen über die Genese des "GPO", über die Finanzierung dieser Arbeiten durch die DFG und über die Rolle und die konkrete Tätigkeit der Agrarwissenschaftler unter Meyer fortzusetzen.
Die Universität und Sie persönlich haben es trotz mehrfacher Aufforderung bisher strikt abgelehnt, zu dieser Geschichte der eigenen Universität öffentlich und selbstkritisch Stellung zu nehmen. Aber die Reputation der Universität leidet heute nicht unter dieser schändlichen Vergangenheit, sondern unter Ihrer Verweigerung, endlich offen und ehrlich zu ihr öffentlich Stellung zu nehmen. Dieses Verhalten der leitenden Gremien der Universität wächst sich langsam aber sicher zu einem internationalen politischen, moralischen und wissenschaftlichen Skandal aus.
Als ehemaliger Student dieser Universität und als ihr Doktorand und Habilitand fühle ich mich nach wie vor mit "meiner" Universität verbunden und ich muß Ihnen, Herr Präsident sagen, ich schäme mich für Sie und für die Universität.
So schmerzlich es auch sein mag, die Geschichte des "GPO" ist integraler Bestandteil der Universitätsgeschichte, der durch Verschweigen nicht auszuweichen ist. Aus Anzahl des 60. Jahrestages der Ausarbeitung des "GPO" halte ich insbesondere die Humboldt- Universität zu Berlin und ihre Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät für politisch, moralisch und wissenschaftlich verpflichtet,
Ich appelliere daher an Sie, endlich Ihre Verweigerung zu überwinden und das Schweigen der Universität in der Öffentlichkeit zu brechen. Ich erwarte Ihre Stellungnahme binnen vier Wochen und bin bereit, sie in unserer wissenschaftlichen Zeitschrift abzudrucken.
Mit freundlichen Grüßen verbleibe ich
Ihr
Werner Röhr
Sehr geehrter Herr Burchard,
der Oberbürgermeister hat mich gebeten, Ihr Schreiben vom 13. November 2001 zu beantworten.
Aus meiner Sicht ist die Darstellung des "Generalplanes Ost" mit all den menschenverachtenden und zynischen Folgen insbesondere der polnischen und russischen Bevölkerung gegenüber unerlässlicher Teil der Aufarbeitung deutscher Geschichte.
Die Beteiligung von Wissenschafts- und Planungsbehörden, so auch einer Universität an der verbrecherischen vollständigen Verwertung und Beseitugung von Menschen (wie hier geplant durch Genozid) darf dabei selbstverständlich nicht außer Acht gelassen werden. Insofern kann eine konkrete Forschung und Dokumentation zum "Generalplan Ost" nur unterstützt werden.
Mit freundlichen Grüßen im Auftrag
(Unterschrift) Wieland Eschenburg, Leiter des Büros
Betreff: Einladung zur Ausstellung "60 Jahre danach: Der Generalplan Ost und seine Verdrängungsgeschichte"
Sehr geehrter Herr B.,
bitte schicken oder faxen Sie an die Faxnummer der Botschaft xxx die Einladung zu der von Ihnen organisierten Ausstellung "60 Jahre danach: Der Generalplan Ost und seine Verdrängungsgeschichte", die am 27. Januar beginnt. Ich habe hier ein äußerst interessantes Begleitmaterial zu der Ausstellung vorliegen, nicht aber die Einladung selbst. Vielleicht ist diese inmitten der Berge von Weihnachtspost verschollen - wofür ich mich bei Ihnen entschuldige.
Mit freundlichen Grüssen
(Unterschrift)
Assistentin des Botschafters
Die KZ-Gedenkstätte Neuengamme unterstützt die Initiative, die Humboldt-Universität zu Berlin zu veranlassen, sich zur NS-Vergangenheit ihrer Gebäude und der verbrecherischen Forschungen, die in ihnenn zwischen 1933-1945 betrieben wurden, zu bekennen.
Um künftigen Generationen von Lehrenden und Studierenden im Haus Luisenstr. 56 in Berlin-Mitte an dort geleistete wissenschaftliche Vorarbeit für den "Generalplan Ost", der zur Vernichtung insbesondere von sowjetischen und polnischen Zivilisten führte, zu erinnern, sollte eine von Wissenschaftlern geprüfte und mit den betroffenen Institutionenn abgestimmte Gedenktafel angebracht werden. Sie muß an die Verantwortung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für ihre Arbeit und deren gesellschaftliche Folgen damals wie heute appellieren.
(Unterschrift)
Dr. Christl Wickert
Hello:
We are very interested in your work on General Plan East. We would
be glad to assist you in further translation work and so on.
Please let us
know if you are interested.
Alexander H. Bruen
Executive Director
World Future Fund, USA
http://www.worldfuturefund.org/
M.,
I have been reading about Generalplan Ost and am interested in finding
more information about Dr Konrad Meyer-Hetling, not only his involvement in
the drawing up of the GPO, but his academic background etc. Any help
you can give would be appreciated.
My mother is from the Zamość region of
Poland which was the first region to be demographically cleansed as part of
the GPO.
Joseph, Perth, Western Australia.
Ergänzung/addition
of 27.01.02:
Many thanks for your email from 25 January 2002.
I
was absolutely delighted to have learned that you have written an
academic thesis on Konrad Meyer-Hetling. Is there any chance that I can
obtain from you a copy by post. Please tell me what it will costs you to
photocopy it and post it to me and I will send you that amount by Bank Cheque
on receiving it. I plan footnoting your thesis in a chapter I have written
about Generalplan Ost.
Auf Antrag der Liste Offene Linke an der HU / Stiftungsinitiative 10. Mai hat der Akademische Senat am 29.01.2002 die Einrichtung einer Arbeitsgruppe beschlossen, die dem Akademischen Senat Vorschläge für den öffentlichen Umgang mit Verstrickungen der Universität in der NS-Vernichtungspolitik erarbeiten soll.
Beschluss:
Der Akademische Senat und die Leitung der
Humboldt-Universität Berlin bekennen sich zu ihrer historischen Verantwortung
als Rechtsnachfolgerin der Friedrich-Wilhelms-Universität. Die
Humboldt-Universität hat den Anspruch, sich kritisch und offen mit der eigenen
Geschichte auseinander zu setzen. Zu dieser Geschichte gehören auch die
Verstrickungen der Universität in die NS-Vernichtungspolitik und die Versuche,
diese wissenschaftlich zu fundieren, zum Beispiel bei der Mitwirkung beim sog.
"Generalplan Ost". Zu der schuldhaften Einbindung gehört auch die Nutzung der
NS-Justiz beim Neuaufbau der anatomischen Lehrobjektsammlung.
Der Akademische Senat hält es für notwendig, dass sich die
Universität anlässlich des 60. Jahrestages der Erarbeitung des sog.
"Generalplan Ost" sowohl in ihrer eigenen wissenschaftlichen Form mit diesem
Teil ihrer Geschichte auseinander setzt, als auch eine angemessene Form des
öffentlichen Gedenkens entwickelt.
Der Akademische Senat bildet eine Arbeitsgruppe, die
Vorschläge für die Ehrung und den kritischen Umgang mit diesem Teil der
Universitätsgeschichte erarbeiten soll. Die Arbeitsgruppe erhält den Auftrag,
für den "Generalplan Ost" und vergleichbare Vorgänge, z.B. die Genese der
anatomischen Lehrsammlung, die beteiligten Fachwissenschaften und die
historische Fachkompetenz anzuhören, die offenen Fragen wissenschaftlich zu
klären, ggffls. In universitätsöffentlichen Anhörungen oder einem
wissenschaftlichen Symposion, und Vorschläge für die Formen und einen
möglichen Ort des Gedenkens, z.B. einen Text für eine Erinnerungstafel,
wissenschaftliche Arbeiten und andere Formen des Erinnerns zu erarbeiten.
Der Arbeitsgruppe sollen je ein Mitglied pro Statusgruppe des Akademischen Senats, je ein Mitglied der betroffenen Fakultäten, Wissenschaftshistoriker, eine VertreterIn der "Stiftungsinitiative 10. Mai" und die Vizepräsidentin angehören.
Beschluss WE 0133-7/2-16.1.2002
Der Institutsrat der WE 0133 begrüßt eine historisch-politische Aufarbeitung des "Generalplan Ost" und seiner Verdrängungsgeschichte, wie sie von Herrn Dipl.-Ing. Burchard angestrebt ist. Er kann jedoch für den wünschenswerten gesellschaftlichen Diskurs finanzielle und personelle Ressourcen nicht zur Verfügung stellen. Insgesamt ist - unter Berücksichtigung der historischen Fakten - eine Ausarbeitung unter Beteiligung aller inhaltlich betroffenen und interessierten, auch internationalen Institutionen anzustreben z.B. (Humboldt-Universität, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Institut für Landschafts- und Umweltplanung, International Society of Political Psychology (ISSP), International Political Science Association (IPSA), Landkreis Zamość).
Sehr geehrter Herr B.,
(...) Seitens unseres Hauses werden Forschungsaktivitäten, die helfen, Unrecht der nationalsozialistischen Zeit aufzuklären, begrüßt. Der von Ihnen in Kopie beigefügte Schriftverkehr zeigt, dass Ihr Vorhaben breitgefächerte Resonanz findet.
Für Ihr Forschungsvorhaben und die Dokumentation zum "Generalplan Ost" wünsche ich Ihnen viel Erfolg.
Mit freundlichen Grüssen
Im Auftrag
(Unterschrift)
Brandt
Sehr geehrter Herr B.,
Ihr unermüdliches Engagement bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung und bei der Herstellung von Öffentlichkeit über die grausamen Pläne und Verbrechen deutscher Wissenschaft, u.a. durch den sog. "Generalplan Ost" beginnt Früchte zu tragen. Nun hat auch der Akademische Senat der Humboldt-Universität einen Beschluss gefasst, in dem sich die Humboldt-Universität zur "historischen Verantwortung als Rechtsnachfolgerin der Friedrich-Wilhelms-Universität" bekennt (Anlage).
Wir würden es daher sehr begrüßen und finden es außerordentlich wichtig, wenn Sie Ihre bereits begonnenen Aktivitäten zum traurigen 60. Jahrestag des "Generalplan Ost" fortsetzen könnten. Die von Ihnen dazu geplanten Ausstellung wird sicher erneut dazu beitragen, die Diskussion innerhalb der Wissenschaftsorganisationen und in der Öffentlichkeit über die Vernichtungsplanung deutscher Wissenschaft in der Nazizeit zu befördern. Dies ist dringend notwendig, denn es hat viel zu lange gedauert, bis sich auch die Universitäten und Forschungseinrichtungen endlich auch mit diesem Kapitel ihrer Geschichte auseinandersetzen.
Soweit wir das können, werden wir Sie darin unterstützen. Wir hoffen, dass Sie weiterhin an dem Thema arbeiten können.
Mit freundlichen Grüßen
(Unterschrift)
Matthias Jähne
Referent
Anlage
Betr. Forschungsdesiderate zum "Generalplan Ost"
Sehr geehrter Herr B.,
Ihre Absicht, weitere Forschung zur Genese, Inhalt und Auswirkung des "Generalplans Ost", insbesondere des Anteils der Raumordnungs- und Agrarwissenschaft am Generalplan, voranzutreiben, ist zu begrüßen. Als Leiter eines Museums, das Ursachen und Praxis des Vernichtungskrieges des Deutschen Reiches im Osten als ein wesentliches Thema behandelt, das aber selbst nur sporadisch Forschungsarbeit leisten kann, bin ich an den Ergebnissen derartiger Forschung außerordentlich interessiert. Denn in den vergangenen fünfzehn Jahren sind zwar auf diesem Spezialgebiet bedeutende Fortschritte der Forschung zu verzeichnen, die unbearbeiteten oder bisher nur angerührten Bereiche sind jedoch immer noch enorm. Es geht hier auch nicht um irgend ein Forschungssteckenpferd, sondern um die ideologischen Grundlagen und Zielsetzungen für einen Krieg, der die Vernichtung von "zig Millionen" Menschen durch Hunger vorsah und auch millionenfach in der ersten Kriegsphase gegen die Sowjetunion realisierte, etwa mit dem Hungertod von zwei Millionen Kriegsgefangenen bis zum Mai 1942. Auch die öffentlichen Hinweise auf den Generalplan Ost und seine Ideengeber im akademischen Bereich halte ich für notwendig, um damit einen zentralen Aspekt nationalsozialistischer Verbrechensplanung in der Öffentlichkeit deutlicher zu machen.
Mit freundlichen Grüßen
(Unterschrift)
Peter Jahn
Bitte um Stellungnahme zu zwei öffentlichen Erinnerungsobjekten vom 13.02.02
Sehr geehrter Herr B.,
Ihr Anliegen einer öffentlichen Erinnerung an die Opfer des "Generalplan Ost" und der "Sonderaktion Krakau" wie auch an die Täter innerhalb der deutschen Verwaltung und Wissenschaft ist sinnvoll. Besonders gilt dies der Erinnerung an Terror, Zwangsumsiedlung und Deportation im Umfeld des "Generalplans Ost", dem große Gruppen der Zivilbevölkerung in Polen und der Sowjetunion zum Opfer fielen.
Wissenschaftlich sind die Fakten und Planungen der deutschen
Besatzungspolitik ausreichend aufgearbeitet; ich verweise Sie nur auf folgende
Publikationen (ausschließlich in deutscher Sprache und ohne Anspruch auf
Vollständigkeit; es liegen weitere Forschungen insbesondere in polnischer
Sprache vor):
(...)
Abschliessende Bemerkung (auf Seite drei der Stellungnahme): Vorrangig scheint mir eine Erinnerung an den "Generalplan Ost" zu sein, da die verbrecherische Politik gegenüber der polnischen, weißrussischen, ukrainischen und russischen Zivilbevölkerung im Zweiten Weltkrieg in der deutschen Öffentlichkeit wenig präsent ist.
Mit freundlichen Grüßen
(Unterschrift)
Unserem Gesprächskreis "Geschichte der Berliner Universitäten gehören unabhängige Wissenschaftler verschiedener Berliner Hochschulen aus Ost und West an. Wir setzen uns seit Beginn der 90er Jahre engagiert mit dem positiven Erbe der Wissenschaft in unserer Stadt, aber auch mit jeglichem Ungeist auseinander. Wir haben uns in einer eigenen wissenschaftlichen Veranstaltung öffentlich mit dem Generalplan Ost, seiner Entstehung und seinen schrecklichen Folgen befasst und mit Anerkennung die fundierten wissenschaftlichen Beiträge zur Kenntnis genommen, die Matthias Burchard zur Aufklärung dieses unseligen Kapitels Berliner Wissenschaftsgeschichte geleistet hat.
Unsere besondere Anerkennung findet die Beharrlichkeit und Unerschrockenheit, die der junge Wissenschaftler in der Auseinandersetzung um dieses Thema an den Tag legt. Wir halten sie für vorbildlich, um die Freundschaft mit unseren östlichen Nachbarvölkern wiederzugewinnen und in der Zukunft im Zusammenwirken mit ihren Wissenschaftlern und Studenten uns der Verantwortung der Wissenschaft im Kampf für Menschlichkeit und Menschenrechte in allen ihren Konsequenzen für jeden einzelnen bewusst zu werden.
Wir bitten die Universitätsleitung darum, Matthias Burchard in Zukunft volle und tatkräftige Unterstützung in seiner wissenschaftlichen Arbeit zu geben, um es ihm zu ermöglichen, die Thematik weiterhin in seiner ideenreichen, initiativen und unkonventionellen Art voranzubringen. Gerade dieses Thema hat sie dringend nötig, um an der Universität den selbstkritischen Sinn für Wahrhaftigkeit, auch für Fehler in der eigenen Wissenschaft zu wecken und diese Problematik aus den Mauern unserer Universitäten hinaus in eine breite demokratische Öffentlichkeit zu tragen.
(Unterschrift)
Antwort auf: Anfrage zur Mitträgerschaft der Ausstellung 60 Jahre Generalplan Ost
Sehr geehrter Herr B.,
der Geschäftsführende Vorstand hat am 11. März Ihr Schreiben vom 7. März behandelt, und ich teile Ihnen dazu folgende Feststellungen mit:
Wir wünschen Ihnen bei der Realisierung Ihres Vorhabens viel Erfolg.
Mit freundlichen Grüßen
(Unterschrift).
Dear Mr. Burchard,
I am very glad that your many years efforts tend to crown with success. We hope that your exposition in Berlin on "Generalplan Ost" will soon be open for visitors. I would be happy to participate in this important event.
With the best Easter greetings
Prof. A. R.
Małecki
President of the Association
NE CEDAT ACADEMIA
P.S. A
letter on the commemoration of 60th anniversary of the forced displacements
of Polish population in the county of Zamość and about the commemorative
plate in Berlin related to "Sonderaktion Krakau" will be sent soon.
Sehr geehrter Herr B.,
seit langem verfolge ich Ihre Bemühungen, die Hintergründe zum berüchtigten "Generalplan Ost" des NS-Systems - mehr als bisher geschehen - öffentlich zu machen. Dass auch Vertreter der Humboldt-Universität in die Planung und Konzipierung dieses Unternehmens, das so viele grausame Folgen für Hundertausende von Menschen in Osteuropa zur Folge hatte, involviert war, rechtfertigt Ihren Einsatz - gerade als Absolvent dieser wichtigen historisch-gesellschaftlichen Einrichtung - es nicht nur bei papiernen Bekundungen zur "historischen Verantworung" zu belassen, sondern sich auch der unmittelbaren Untersützung Ihrer Aktionen zur öffentlichen Verurteilung dieser Machenschaften des deutschen Faschismus zu bekennen.
Ich wünsche Ihnen nicht nur weitere Durchsetzungskraft, sondern auch sichtbare Erfolge Ihrer verantwortungsvollen Bemühungen.
Mit freundlichen Grüßen
(Unterschrift)
Dr.
Wolfgang Jacobeit, Prof. em.
Lieber Herr B.!
Sie haben mich nach meiner Meinung zum Generalplan Ost gefragt Ich will Ihnen gern darauf antworten. Ich halte das für eine schwärende Wunde im Verhältnis zwischen uns und den Völkern und Staaten in Mittelost- wie Osteuropa. Ich will Ihnen gerne erklären, warum.
... drei Seiten Ausführungen zur NS-Aufarbeitung nach 1945....)
Doch die nummerisch größte Zahl an Opfern danach war den 'weitgehend wertlosen Ostslawen' zugedacht, bis zu 70 Millionen. Die praktikabelsten Methoden dazu wollte man perfektionieren: Zerstörung der sozialen Strukturen, einschließlich der Familie, Umsiedlungen und der Hungertod, wie man sie beispielsweise in Polen hatte erproben können.
Alles war nüchtern und streng wissenschaftlich 'ohne jede Gefühlsduselei' ausgearbeitet. Dabei ist der Generalplan Ost nicht der einzige Beweis dafür, daß die deutsche Wissenschaft, (Universitäten und Hochschulen, Akademien und die Kaiser-Wilhelm-Institute), nicht nur Möglichkeiten bot, sich aus der NS-Athmosphäre in den Elfenbeinturm zurückzuziehen, solche Formen mag es durchaus gegeben haben, obwohl man auch da dem Zeitgeist schriftlich und verbal Ergebenheit zu zollen hatte.
Bis heute wird nicht allgemein anerkannt, daß sich keineswegs unbedeutende Teile dieser deutschen Wissenschaft willig in tragende Kräfte des NS-Staates bei Planung und Durchführung dieser notwendigerweise mit Massenmord verbundenen expansionistischen großdeutschen Pläne verwandelt hatten. Erst seit wenigen Jahren beschäftigt sich die Max-Planck-Gesellschaft, über 50 Jahre zu spät möchte man meinen, und nur dank ihres Präsidenten Professor Markl und einiger jüngerer Mitglieder MPG- Institute mit ihrer Vergangenheit in der KWG. Die Arbeiten sind überwiegend sehr genau und von erfreulich kritischem Geist. Erst jetzt beginnt die Deutsche Forschungsgemeinschaft mit dieser Arbeit über die eigene Geschichte, leider noch nicht ebenso öffentlich zugänglich mit Vorträgen und Publikationen.
Es würde dem Ruf der Berliner Universitäten sehr dienen, wenn auch sie sich endlich ebenso entschieden und öffentlich wie die Max-Planck-Gesellschaft mit diesem wirklich schändlichem Erbe der Berliner Wissenschaft beschäftigen und es in aller Offenheit aufarbeiten würden. Humboldt- und Freie Universität sind gleicherweise betroffen, beide sind Nachfolger der Friedrich-Wilhelms-Universität. Es geht nicht, sich nur auf die Humboldts zu berufen und die anderen nicht zu kennen. Erst wenn man die Tatsachen deutlich aufgearbeitet und mit öffentlich sichtbaren Zeichen auch im Stadtbild und an wie in den Gebäuden verankert hat, damit künftige Studentengenerationen daraus lernen, was sich nie auch nur in Ansätzen wiederholen darf, hat man ein Recht darauf, sich von diesem unseligen Teil des Erbes zu trennen.
Es ist der Familie Professor Konrad Meyers hoch anzurechnen, welchen Wert sie auf eine offene Aufarbeitung durch die Berliner Universitäten legt. Wenige Familienmitglieder von NS-Verbrechern bestehen darauf.
Die Nichtanerkennung dieser Verbrechen hat schon jahrzehntelang jede dauerhafte tiefgreifende Verbindung zwischen uns Deutschen und den Polen, Balten, Weißrussen, Ukrainern, Russsen und Tschechen verhindert, unabhängig von allen bestehenden Beziehungen.
Ich brauche Ihnen daher nicht zu versichern, wie sehr ich schätze, was Sie zustande gebracht haben. Sie haben es getan, weil andere es nicht taten. Natürlich habe ich keinen Zweifel daran, daß Ihre Ausstellungspläne noch in zahlreichen Einzelheiten zu verbessern, zu erweitern wären. Das gilt ebenso für die vorgesehenen Texte der Tafeln. Dazu kenne ich die Mängel meiner eigenen Ausstellungen vor bald viereinhalb Jahrzehnten zu genau, für die es natürlich berechtigte Entschuldigungen und Erklärungen gab. Aber darum kann es nicht gehen. Nur wer nichts tut, vermeidet jeden Fehler und begeht dabei den schwersten: die Unterlassungssünde.
Die Ausstellung ist überfällig und muß stattfinden, ebenso das Anbringen der Gedenktafeln. Das würde die Glaubwürdigkeit Berlins und seiner Universitäten international außerordentlich stärken. Wie sehr, erweist sich schon jetzt durch die von Ihnen vermittelten hochherzigen Kooperationsvorschläge aus Krakau und Zamość, etc. Man wartet in Osteuropa auf Partner in Deutschland, um mit ihnen gemeinsam eine neue Verbindung herstellen zu können, einen wirklichen Frieden zu schließen; die Vergangenheit zu überbrücken, ohne etwas zu beschönigen oder zu vergessen. Berlin und die Berliner Universitäten dürfen diese offene Hand nicht ausschlagen, dürfen die Polen nicht aus gekränkter Eitelkeit brüskieren, nur weil sich jemand, aus ihren Augen ein Niemand, um etwas bemüht hat, was sie selber bewußt und erfolgreich zu lange verdrängt haben.
Erst danach werden dort allgemein andere, etwa die Vertreibung der Deutschen betreffende Diskussionen beginnen können, die vielleicht zu einer auch dort überfälligen innere Klärung führen könnten; Diskussionen, die vorher innenpolitisch völlig unmöglich waren, obwohl es trotz des Kalten Krieges schon vor Jahrzehnten mehrfach entsprechende Vorstöße gegeben hat, so etwa die Warschauer Studenten im Herbst 1957. Welch ein Gewinn wäre das, sowohl für alle Beteiligten wie auch für ein Zusammenwachsen Europas nach Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft.
PS. Bei den Gesprächen muß man allerdings etwas beachten: Polen und die baltischen Länder verstehen sich selbst als östlichen Rand Mitteleuropas, nicht als westlichen Vorposten Osteuropas. Das berührt sehr empfindliche Punkte des eigenen historischen Selbstverständnisses. Nur in deutscher Sicht gehören sie, weil östlich von uns gelegen, zu Osteuropa.
Ich wünsche uns allen, daß Berlin und die Berliner Universitäten klug genug sein werden, Ihre Pläne in allen wesentlichen Grundzügen zu übernehmen, sie zu ihren eigenen zu machen.
Ich denke, damit habe ich Ihre Frage genau genug beantwortet. Mit freundlichem Gruß, Ihr
Unterschrift
(Reinhard Strecker)
Im Herbst 1939 ernannte der Reichsführer SS Heinrich Himmler seinen Gefolgsmann Professor Konrad Meyer, Mitglied der SS und Direktor des Instituts für Agrarwesen und Agrarpolitik an der Berliner Universität zum Leiter der Planungshauptabteilung des der Reichsführung der SS unterstehenden Reichskommissariats für die Festigung deutschen Volkstums. Unter maßgeblicher Regie Konrad Meyers und aktiver Mitarbeit weiterer Wissenschaftler der landwirtschaftlichen Fakultät entstand in den folgenden Jahren der sogenannte Generalplan-Ost. Mit Datum vom 28. Mai 1942 übersandte das Institut für Agrarwesen und Agrarpolitik eine 64-seitige Fassung zum Generalplan Ost an den Reichsführer SS. Dieses Schriftstück, das den zynisch-verharmlosenden und irreführenden Untertitel "Rechtliche, wirtschaftliche und räumliche Grundlagen des Ostaufbaus" trug, stimmte im Wesentlichen mit weiteren Entwürfen des Generalplan-Ost überein. Ziel aller dieser Versionen war die Neuordnung und Germanisierung der eroberten europäischen Gebiete durch Zwangsvertreibung und Umsiedlung von vielen Millionen Menschen.
Fast die Gesamtheit der polnischen Bevölkerung galten nach dem Generalplan-Ost gemäß der nationalsozialistischen Rassentheorie als minderwertig und nicht eindeutschungsfähig. Für Tschechen, Slowenen und Franzosen belief sich der entsprechende Anteil auf 50 Prozent. Es sollten zwischen 25 und 50 Millionen Personen zur Zwangsarbeit eingesetzt bzw. in unfruchtbare Landschaften deportiert werden, was de facto den Hungertod für diese Betroffenen bedeutet.hätte. Für Leningrad wurde vorgeschlagen, innerhalb von 25 Jahren 3,2 Millionen Einwohner zu vertreiben und 200 000 Deutsche dort anzusiedeln.
Nachdem schon vor 1942 vor allem in den annektierten polnischen Gebieten Hunderttausende jüdische und polnische Einwohner von ihren Wohnplätzen gewaltsam vertrieben, in Arbeitslager verschleppt oder ermordet worden waren, nahmen ab 1942/43 die Empfehlungen des Generalplan-Ost konkretere Gestalt an. Ein besonders brutales Beispiel dafür stellte der zum Distrikt Lublin gehörende Kreis Zamość dar. Hier wurden 110 000 polnische Zivilisten aus ihren Häusern und Wohnungen gejagt und eine Reihe von Dörfern völlig zerstört, um Platz für deutschstämmige Neusiedler zu schaffen.
Nur der weitere Verlauf des Krieges verhinderte, dass die Mordpläne der deutschen Raumforscher im vollen Umfang realisiert werden konnten. Der Generalplan-Ost, an dessen Ausarbeitung Angehörige der damaligen Berliner landwirtschaftlichen Fakultät an herausragender Stelle beteiligt waren, zählt zu den schlimmsten Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Er wird vom Fakultätsrat einhellig als schweres Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt.
Ein wissenschaftliches Erbe gebührend zu pflegen, verlangt auch von unserer Fakultät, sich der Gesamtheit ihrer Geschichte zu stellen, das heißt nicht nur deren positive Seiten, z. B. die bedeutenden wissenschaftliche Leistungen eines Albrecht Daniel Thaer, eines Friedrich Aereboe, eines Ernst Wundsch oder eines Gustav Fischer zu würdigen, sondern sich auch mit den negativen Kapiteln ihrer Geschichte kritisch auseinander zu setzen.
Wenn auch den Nachgeborenen der Generation der Täter und Beteiligten keine unmittelbare persönliche Schuld beizumessen ist, sind wir doch alle - und ganz speziell die Angehörigen der Berliner Fakultät - verpflichtet, uns für das Auffinden und Verarbeiten der historischen Wahrheit zu engagieren. Ein solches Tun bildet die entscheidende und fruchtbare Voraussetzung für einen gewissenhaften und ehrlichen Erinnerungs- und Lernprozess.
Anlässlich des heutigen Datums bitten wir öffentlich um Entschuldigung bei allen toten und noch lebenden Opfern, denen der verbrecherische Generalplan-Ost und seine Folgen unendliches Leid zugefügt haben und leisten dafür tief empfundene Abbitte. Den Hinterbliebenen versprechen wir, kompromisslos alle in unserem demokratischen Staatswesen gewährleisteten Möglichkeiten zu nutzen, damit sich solch ein menschenfeindlicher Missbrauch agrarwissenschaftlicher Erkenntnisse niemals wiederholen kann.
Wissenschaftler in und außerhalb der Fakultät haben während der letzten anderthalb Jahrzehnte ausführlich über die genannten menschenfeindlichen Aktionen geforscht. Leider haben die hierbei gewonnenen Forschungsergebnisse im öffentlichen Leben und im Bewusstsein der Fakultät und der Universität bisher nur eine relativ bescheidene Resonanz gefunden. Die Fakultät bekennt sich erneut und ausdrücklich zu ihrer gesellschaftliche Verantwortung in Lehre und Forschung, die sich in Leitbild und Praxis widerspiegeln muss:
Die Fakultät wird sich auch weiterhin der Aufarbeitung der Vergangenheit stellen - Lehre und Forschung müssen sich jedoch insbesondere an ihrem Beitrag zur Verhinderung erneuter wissenschaftlicher Barbarei messen lassen.
https://www.agrar.hu-berlin.de/de/institut/profil/geschichte/geschichte/gpo
Meine Damen und Herren, ich bin jetzt drei Jahre in Berlin, sonst bin ich, sozusagen normalerweise, Historiker an der Jagiellonen-Universität in Krakau. Daher ist mein Interesse an der Darstellung des Generalplanes Ost sehr groß, professionell gesehen. Der Generalplan Ost hat in der polnischen Betrachtung der Geschichte des Zweiten Weltkrieges immer eine sehr große Rolle gespielt, da er schildert, was mit den Polen geschehen soll nach dem vollen Sieg der Nationalsozialisten. Polen hat natürlich gehofft, seit Mitte 1942, 1943 - da war es auch nicht mehr allein die Hoffnung, sondern schon die Sicherheit - dass die Nationalsozialisten nicht siegen werden. Aber nichtsdestoweniger war es sehr, sehr wichtig zu wissen, was nach dem Krieg passiert, welche Szenarien vorgesehen sind. Die Informationen des Generalplan Ost sagen ausnahmsweise sehr viel über die richtige Planung der Nationalsozialisten, ihre Einschätzung des polnischen Volkes und der anderer Völker Europas. Die Erforschung der Entstehungsgeschichte des Generalplanes Ost, also auch natürlich die Erforschung des Falles von Zamość, wo die geplanten Methoden zum ersten Mal eingesetzt worden sind. Diese Aktivitäten spielen eine große Rolle. Die polnische Forschung hat sich natürlich mit dem Plan sehr intensiv beschäftigt. Aber ich glaube, es ist noch nicht das letzte Wort gesprochen, sowohl in der Forschung, als auch in der Öffentlichkeitsarbeit im Zusammenhang mit diesem Generalplan Ost. Daher gilt unsere Anerkennung Herrn Burchard und allen Personen, die sich dafür einsetzen, dass die Geschichte des Generalplanes breiter bekannt wird, auch dafür, dass diese unrühmlichen Seiten der deutschen Wissenschaft ebenfalls bekannt werden. Ich danke Ihnen für Ihren Einsatz, und ich hoffe stark, dass Ihre Geduld belohnt wird, indem Sie einen entsprechenden Rahmen für Ihre Ausstellung finden werden. Ich kann Ihnen versprechen, dass wir gerne bei der Vorbereitung der Ausstellung helfen werden. Dankeschön (Beifall).
Die Humboldt-Universität ist eine Universität mit Geschichte. Dieser Geschichte verdankt die Universität einen großen Teil ihres guten Namens, den sie heute überall in der Welt trägt. Die Geschichte der Universität führt jedoch auch durch dunkle Kapitel, und die Beschäftigung mit diesen ist nicht selten schmerzhaft. Die Auseinandersetzung mit der Rolle der Berliner Universität in der Zeit des Nationalsozialismus gehört zu den schwierigsten Aufgaben. Dennoch ist es unverzichtbar, dass wir uns dieser Auseinandersetzung stellen und den Geschehnissen dieser Zeit ins Auge sehen.
Zahlreiche Lehrende, Studierende und andere Mitglieder der Universität haben in den Jahren von 1933 bis 45 unter dem Regime zu leiden gehabt: sie waren Repressalien ausgesetzt, wurden ihrer akademischen Grade und Verdienste beraubt, mussten die Universität, häufig auch das Land verlassen oder verloren ihre Existenzgrundlage. Die große Mehrheit aber hatte sich mit dem Regime arrangiert und dadurch vielfach das Leid ihrer Kollegen mitverursacht. Manche aber setzten sich mit ihrer Arbeit auch an die Spitze der Bewegung und wurden zu aktiven Schmieden für die wahnwitzigen Weltherrschafts-Pläne der NS-Regierung.
Prof. Dr. Konrad Meyer war nur einer von diesen. Als er vor 60 Jahren das unter seiner Ägidie entstandene Planwerk an den Reichsführer SS Heinrich Himmler überreichte, das wir heute den Generalplan Ost nennen, tat er das in seiner Funktion als Direktor des Instituts für Agrarwesen und Agrarpolitik an der Berliner Universität.
Der Verlauf des Krieges und letztlich der Sieg der Alliierten über den Nationalsozialismus verhinderten, dass die menschenverachtenden Pläne, die in diesem Werk formuliert sind, in die Tat umgesetzt werden konnten. Über den Holocaust hinaus zielten sie auf einen weiteren millionenfachen Völkermord in den besetzten Ostgebieten ab. Die ersten Umsetzungen in Polen nahmen mit Vertreibung und Mord unzähliger Menschen bereits katastrophale Formen an. Aus der Geschichte wissen wir, dass die NS-Regierung auch zur vollen Umsetzung auch dieser Pläne imstande gewesen wäre.
Die Verantwortung dafür ist uns ohne unser Zutun erspart geblieben. Wenn ich an dieser Stelle "uns" sage, dann meine ich damit die ganze Humboldt-Universität als Nachfolgerin der Friedrich-Wilhelms-Universität. Ein Verbrechen wie dieses ist aber keinesfalls nur einer einzelnen Person anzulasten. Auch nicht einer einzelnen Fakultät. Konrad Meyer benötigte den Rückhalt der ganzen Universität, um seine Aufgabe zu erfüllen.
Ich unterstütze sehr die Initiative der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät, sich mit diesem Unrecht auseinander zu setzen und ich begrüße die Erklärung des Fakultätsrates, die Dekan Nagel vor wenigen Minuten verlesen hat. Gleichzeitig bekenne ich mich in meiner Funktion als Präsident der Humboldt-Universität zu der gesamtuniversitären Verantwortung, die wir beim Generalplan Ost zu tragen haben.
Wir können sie heute nicht mehr sühnen, aber wir können uns ihrer bewusst werden und nicht aufhören, uns mit dem Thema zu beschäftigen und nach Wegen der Aufarbeitung zu suchen. Ein erster Schritt auf diesem Weg ist eine Arbeitsgruppe, die sich auf Initiative der Studierenden und auf Beschluss des Akademischen Senates mit den Verstrickungen der Berliner Universität in die NS-Vernichtungspolitik beschäftigt. Sie bettet sich ein in andere Forschungs- und Ausstellungsprojekte.
Vor allem aber müssen wir uns unserer heutigen Verpflichtung bewusst sein:
Das kürzlich verabschiedete Leitbild der Humboldt-Universität bringt dies zum Ausdruck, wenn es daran erinnert, dass "Der Bezug der Humboldt-Universität auf ihre Tradition (...) auch im Bewusstsein ihrer schuldhaften Verstrickungen in die Politik (erfolgt). (...). Vor diesem Hintergrund versteht sich die Humboldt-Universität seit Beginn ihrer Selbsterneuerung im Jahre 1989 als eine Institution, die sich für kritische Distanz gegenüber politischer und gesellschaftlicher Macht entschieden hat. Sie wendet sich gegen jede Form von Diskriminierung, Intoleranz und kultureller Selbstüberhöhung."
PRESSEMITTEILUNG
Historische Verantwortung für Generalplan Ost
Wissenschaftssenator Dr. Thomas Flierl unterstützt die Anstrengungen der Humboldt-Universität zu Berlin zur Aufarbeitung ihrer Geschichte im Zusammenhang mit dem "Generalplan Ost". Der "Generalplan Ost" sah die massenhafte Deportierung der osteuropäischen Bevölkerung nach dem Endsieg Nazi-Deutschlands und die Besiedlung der eroberten Gebiete durch sogenannte Volksdeutsche vor.
Senator Flierl verurteilte die "kaltblütige Inkaufnahme des Massenmords für Siedlungszwecke durch die Planer des "Generalplan Ost", an dessen Ausarbeitung auch Wissenschaftler der damaligen Friedrich-Wilhelms-Universität maßgeblich beteiligt waren. Der "Generalplan Ost" ziele - über den Holocaust hinaus - auf millionenfache Vertreibung und Völkermord in den von Deutschland besetzten Ostgebieten. Seine beginnende Umsetzung hat vor allem in Polen unzählige Opfer gefordert. Die Initiatoren des "Generalplan Ost" waren keine Einzeltäter. Sie agierten in einem gesellschaftlichen Umfeld, das die Verbrechen des NS-Regimes erst möglich werden ließ. Genau daraus resultiert die anhaltende historische Verrantwortung Deutschlands gegenüber diesem dunklen Kapitel seiner Geschichte. Die betroffenen Berliner Wissenschaftseinrichtungen stehen in der Pflicht, sich ihren Teil der historischen Verantwortung bewusst zu machen und nach Wegen adäquater Aufarbeitung zu suchen.
Die Frage nach der Verantwortung von Wissenschaft und Wissenschaftlern stellt sich nicht abstrakt, sondern historisch konkret. Eine kritische Distanz gegenüber politischer und gesellschaftlicher Macht gehört zum Grundverständnis von Wissenschaft. Sie verpflichtet Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht zu gesellschaftlicher Neutralität, sondern begründet vielmehr ihre besondere individuelle Verantwortung für einen an humanistischen Werten orientierten Umgang mit den Ergebnissen ihrer Forschung."
"Lieber Herr B.,
vielen Dank für Ihre handschriftliche Notiz
vom 13.06.02 und das anliegende Material zum Forschungsthema "Generalplan Ost".
Scham, Schuld und Verantwortung: Der Scham können wir nicht entkommen. Die
Schuld für ihre Schandtaten hängt an den Tätern sowie den Anstiftern und den
politischen Hintermännern, und zwar untilgbar. Wir tragen Verantwortung im Sinne
besonderer Vor- und Fürsorgepflichten für die Zukunft. Deshalb ist die
historische Aufarbeitung des Generalplan Ost unverzichtbar! Welche stichhaltigen
Gründe dagegen könnte man anführen?
Mit freundlichen Grüssen
(Unterschrift) Hartmut Brandt
Mailtext vom 6. Dezember 2002 10:11
Betreff: Kölner Redebeitrag von Prof. Landfried
Sehr geehrter Herr B.,
Dank für Ihre mail vom 2.12. Es trifft zu, dass ich bei der Polnisch-Deutschen
Hochschulbörse in Köln bei der Eröffnung in freier Rede mich zur deutschen
Schuld unerhörten Ausmaßes auch der von deutschen Wissenschaftlern, gegenüber
den in Polen lebenden Menschen bekannt habe. Ich halte das für meine
selbstverständliche Pflicht, weil wir nur dann auf gleicher Augenhöhe und mit
Respekt die von Polen wie Deutschen gewollte neue Partnerschaft begründen können,
wenn über diese Untaten nicht verlegen hinweg"-gesäuselt" wird.
Der schriftliche Redetext, der noch rekonstruiert wird, geht Ihnen gerne in
einigen Tagen noch zu. Ich danke Ihnen für Ihr Interesse an der Arbeit der HRK.
Im übrigen habe ich sowohl bei Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen in
Krasnodar/Novorussisk (1998) als auch mit solchen aus Belgrad, Nis, Novi Sad,
aus Thessaloniki und Athen, aus Brno, Praha, Olomonc u. a. nie gezögert, mich
zur deutschen Schuld während des Nazi-Regimes gegenüber den Menschen in all
diesen Ländern zu bekennen. Entschuldigen kann man sich angesichts der
unfassbaren physischen wie "geistigen" Grausamkeiten ja nicht. Die
Schuld bleibt. Nur volle Aufrichtigkeit erlaubt den gottseidank möglichen
Neuanfang wirklicher Partnerschaft.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Landfried
Mailansicht mit Ausgangsfrage hier
Gießen,
8.12.02
Mit
großem Interesse las ich die Erklärung des Präsidenten der Humboldt-Universität
zu Berlin anlässlich der Gedenkveranstaltung zum 60. Jahrestag der Übergabe
des „Generalplan Ost“ an den Reichsführer SS Heinrich Himmler (28.5.2002).
Solche klare Worte sind hilfreich, um die Grausamkeiten dieser Zeit nicht in
Vergessenheit geraten zu lassen und um das Ansehen der Universität in der
Gegenwart nicht zu gefährden. Gerade die Offenheit und Klarheit von Prof. Dr.
Mlynek zeigen, dass die Universität heute sich der Geschichte stellt, sich von
solchen Taten klar distanziert und dass die Wissenschaft wohl in der Lage ist,
ethische Fragen zu stellen. In einer Zeit wo ökonomischer Pragmatismus droht,
ethische Fragen an den Universitäten zu übertönen, ist dies ein positives und
eindeutiges Votum für die moralische Verantwortlichkeit von Wissenschaftlern
und ist sehr zu begrüßen. Nur so kann die Universität ihrer Bedeutung
behalten und ihrem Auftrag gerecht sein.
Deswegen
glaube ich, dass eine Ausstellung zu diesem Thema, wie Prof. Mlynek in seiner
Rede andeutete, von großer Bedeutung für die Bildung von moralischen Werten in
einer eher wertearmen Gesellschaft sein könnte und auch Schritte zur Versöhnung
zwischen Deutschland und den Ostgebieten, namentlich Polen, auch wesentlich
betragen könnte. Ich hoffe, dass bald eine angemessene und gut ausgestattete
Ausstellung in Berlin möglich sein wird.
(Unterschrift)
Duane
Conrad, Direktor
Zamość, 12.12.2002
An die Geschäftsstelle des Hauptstadtkulturfonds bei der Senatsverwaltung für
Wissenschaft, Forschung und Kultur Berlin (Antrag 305)
Wir begrüßen die Initiative und die Aktivitäten der wissenschaftlichen
Mitarbeiter und Studenten der Humboldt-Universität zu Berlin, die darauf
abzielen, den heute Lebenden das Ausmaß der Tragödie, die die Menschen aus der Region von Zamosc während des Zweiten Weltkrieges infolge der Umsetzung des
sogenannten Generalplan Ost durchmachten, bewußt zu machen. Diese Anstrengungen
verdienen unsere Anerkennung und unseren Respekt.
Herr Matthias Burchard, ein Vertreter der Humboldt-Universität zu Berlin,
teilte uns mit, er plane 2003, zum 61. Jahrestag dieser tragischen Ereignisse,
ein Begegnungs- und Ausstellungsprojekt in Berlin durchzuführen. Wir unterstützen dieses Projekt vom ganzen Herzen.
Stellvertretender Landrat von Zamość
Dr. Adam Bąk
Kirchlechfeld,
14.12.02
Kurzreferenz
Lieber Herr B.,
ganz herzlich danke ich Ihnen über die
Informationen, die Sie mir zum Themenbereich „Generalplan Ost“
zugesandt haben.
Gerne unterstütze ich Ihre Bemühungen, diesen Plan
in das Bewusstsein der heute verantwortlichen politischen und gesellschaftlichen
Kreise zu rücken. Ich bin beeindruckt von Ihren Recherchen und wie positiv die
Gesprächspartner besonders in Polen auf die Dokumentation und die Bitte um
Vergebung reagiert haben. Als einer der vier Initiatoren der „Versöhnungs-Wege“
im Jahr 1994/95 aus Anlass des 50. Jahrestages des Kriegsendes, weiß ich, wie
sehr viele unserer Nachbarn, die unter der deutschen Aggression gelitten haben,
auf solche Zeichen warten.
Darf ich Sie ermutigen in aller Klarheit und
Besonnenheit an dieser Aufgabe dranzubleiben.
Ich wünsche Ihnen dazu Gottes Segen!
Ihr (Unterschrift)
Friedrich Aschoff
Reichelsheim,
im Dezember 2002
Kurzreferenz
Die
Aufarbeitung des Kapitels Generalplan Ost und die Rolle von Wissenschaft und
Universität in diesem düsteren Abschnitt der Deutschen Geschichte halten wir für
wichtig und befreiend. Schmerzhafte Zusammenhänge aufzuzeigen und die damit
verbundene Trauerarbeit zu leisten, ist nie einfach, aber oft notwendend. Wir
wissen, daß nur wer seine Geschichte aufarbeitet, aus der Spirale aussteigen
kann, sie zu wiederholen.
Eine
öffentliche Entschuldigung der Verantwortlichen der Humboldt-Universität zu
einem geeigneten Jahrestag – evtl. im Rahmen einer Zeitzeugenbegegnung – wäre
ein sichtbares und zukunftsöffnendes Zeichen für die Universität in Berlin
und für die Bundesrepublik Deutschland, die damit auch dem nationalen
Wissenschafts-Dünkel vergangener Tage absagen würden.
(Unterschrift)
Dr.
Dominik Klenk
Gemeindepastor G. Brandt
Berlin, 19.12.02
Sehr
geehrter Herr B.,
als
Christen sehen wir die Notwendigkeit, die Vergangenheit aufzuarbeiten und auf
keinen Fall zu verdrängen. Die Gegenwart und Zukunft können nur dann
unbelastet gelebt werden, wenn die dunklen Abschnitte der Geschichte unseres
Volkes durch Öffentlichkeit und Versöhnung bewältigt werden.
Unsere
Humboldt-Universität im Herzen der Stadt Berlin trägt zu unserem Gemeinwohl
bei, wenn dieser dunkle Schatten der Geschichte ins Licht gerückt wird. Wir
unterstützen den Gedanken eines öffentlichen Zeichens als Bekenntnis und
Schuldeingeständnis in Form einer Gedenktafel mit einhergehender Ausstellung
zur Geschichte des „Generalplan Ost“.
(Unterschrift)
Gernot
Brandt
Gemeindepastor
Originalbriefansicht hier
PL-Biłgoraj, den 20. Dezember
An den Hauptstadtkulturfonds, Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur
Im
Mai dieses Jahres wurde ich zusammen mit meiner Ehefrau von Herrn Matthias
Burchard zu der Gedenkveranstaltung anläßlich des 60. Jahrestags der
Erarbeitung des sogenannten Generalplan Ost nach Berlin eingeladen. Als
unmittelbare Zeitzeugen der Umsetzung dieses Plans in der Region von
Zamość
nahmen wir dabei an Begegnungen mit engagierten und an diesen Ereignissen
interessierten sozialen Aktivisten, wissenschaftlichen Mitarbeitern und
Studenten der Humboldt Universität zu Berlin teil.
Bei
der Umsetzung des Generalplan Ost wurden in der Region von
Zamość
von Herbst
1942 bis August 1943 aus über 280 Dörfern und Siedlungen auf sehr grausame
Weise mehr als 110 000 Menschen - d.h. 31 % der lokalen Bevölkerung -, darunter
über 30 000 Kinder, ausgesiedelt. Die von der Aussiedelung Betroffenen wurden
in die eigens dazu aufgebauten [Konzentrations]Lager in
Zamość
und Zwierzyniec
sowie in die bereits bestehenden Konzentrationslager in Majdanek und Auschwitz
deportiert. Viele Menschen wurden auch zur Zwangsarbeit nach Deutschland
verschleppt. Darunter befanden sich auch Kinder, die germanisiert werden
sollten.
Obwohl
seit diesen tragischen Ereignissen viele Jahre vergangen sind, ist die
Erinnerung an diese Zeit in der Region von
Zamość
immer noch lebendig. Zu
unserer im November dieses Jahres veranstalteten Gedenkfeier haben wir Herrn
Matthias Burchard nach
Zamość
, Biłgoraj und Lublin eingeladen. Für seine
Anwesenheit sind wir ihm sehr dankbar. Dabei
entstand die Idee, unsere Zusammenarbeit im kommenden Jahr, 2003, weiter zu
vertiefen. Vorgesehen sind gemeinsame Begegnungen, auch mit Jugendlichen,
Meinungsaustausch, Konferenzen, Ausstellungsprojekte und Begegnungen mit
unmittelbaren Zeitzeugen, sowohl in Berlin wie auch in unserer Stadt.
Unser
Verein, dem ehemalige Kinder der Region von
Zamość
aus der Zeit der deutschen
Besatzung - Häftlinge der NS-Lager - angehören, ist an einer solchen
Zusammenarbeit interessiert und wird alles Mögliche tun, damit diese
fortgesetzt wird. Als noch lebende, wenn auch immer weniger werdende, Zeitzeugen
möchten wir die Erinnerung an diese schrecklichen Ereignisse wachhalten und die
Nachwelt vor den Grausamkeiten des Krieges und dessen Folgen warnen.
Bolesław Szymanik,
Vorstandsvorsitzender
Berlin,
20.12.2002
Sehr
geehrter Herr B.,
wir
kennen und respektieren Ihr andauerndes Engagement zur Aufarbeitung der
Geschichte des „Generalplan Ost“. Die Aufarbeitung der NS-Geschichte bleibt
rudimentär, wenn sie sich nicht nur auf die vollzogenen Verbrechen „im Namen
des Deutschen Volkes“ beschränkt, sondern auch die Vorsätze, die
wissenschaftliche, verwaltungsmäßig und militärisch vorangetriebene Planung
des Hauptziels deutscher Politik in der Zeit 1933 bis 1945 berücksichtigt. Wir
wissen, wie das Schlagwort vom „Volk ohne Raum“ in Bezug auf die geplante
deutsche Kolonisation Osteuropas das Massenbewußtsein der deutschen Bevölkerung,
seit dem Überfall auf die Sowjetunion auch das Verhalten der Wehrmachtsangehörigen,
prägte. Die Nazi-Ideologen propagierten recht erfolgreich das „Slawische“
in den eroberten oder noch zu eroberten Gebieten als ein Merkmal für zu
beherrschende und in letzter Konsequenz zu vernichtende Völker. Der Vernichtung
der europäischen Juden sollte ein weiterer Genozid folgen. Als Beispiel für
kriminelle Energie, mit der dieses Ziel angestrebt wurde, sei nur auf die
Leningrader Blockade verwiesen.
Die
neuere Forschung hat ansatzweise bereits aufgedeckt, wie das geplante
Kolonialreich im Osten wissenschaftlich in Bezug auf Raumordnung,
Siedlungsplanung, Landwirtschaft und Industrie sowie verwaltungstechnisch
vorbereitet wurde. Die Einbeziehung der wissenschaftlichen Elite in diese
Planung wurde lange Zeit tabuisiert, da bekanntlich viele wissenschaftliche
Karrieren nicht mit der Nazizeit endeten. Zur Zeit des Kalten Krieges war dieser
Kernbereich nationalsozialistischer Politik in der Bundesrepublik kein öffentliches
Thema.
Aus
diesen Gründen begrüßen wir Ihre Arbeit als besonders wertvollen Beitrag zur
Aufarbeitung der NS-Geschichte. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg dabei, zusammen
mit den letzten Zeitzeugen und NS-Opfern diese Geschichte ins öffentliche Bewußtsein
zu bringen.
Mit
freundlichen Grüßen
(Unterschrift)
Eberhard
Radczuweit
PL-31-007 Krakau, den 23. Dezember 2002
Herrn
Dipl.-Ing. agr. Matthias Burchard
Sehr geehrter Herr B.,
vom Vorsitzenden des Vereins NE CEDAT ACADEMIA, Prof. Andrzej R. Małecki, habe ich erfahren, daß in Berlin zum 60. Jahrestag der Erarbeitung des sogenannten Generalplan Ost durch SS-Oberführer Konrad Meyer ein Ausstellungsprojekt durchgeführt wurde. Ich möchte hiermit den Veranstaltern der Ausstellung, die die verbrecherischen Absichten des Dritten Reiches gegenüber der Bevölkerung Osteuropas verdeutlichen sollte, meine Anerkennung und Achtung zum Ausdruck bringen.
Das totalitäre NS-System strebte danach, die Führungsschicht der unterworfenen Völker zu vernichten. Ein bezeichnendes Beispiel dafür ist die berüchtigte „Sonderaktion Krakau“, bei der am 6. November 1939 in dem Gebäude des Collegium Novum der Jagiellonen Universität hinterlistig 183 Personen verhaftet wurden. 169 von ihnen - meist wissenschaftliche Mitarbeiter der Jagiellonen Universität und andere Krakauer Hochschulen - wurden anschließend in die NS-Konzentrationslager in Sachsenhausen, Dachau und Mauthausen verschleppt. Es war sehr gut und nützlich, daß im Rahmen der Ausstellung „Generalplan Ost“ auch an die Geschichte der „Sonderaktion Krakau“, die einen präzedenzlosen Angriff eines totalitären Aggressors gegen die Wissenschaft eines europäischen Volkes darstellte, erinnert wurde. Ich freue mich darüber, daß nun die Absicht besteht, diese verbrecherische Aktion durch das Anbringen einer entsprechenden Gedenktafel in Berlin stärker ins Bewußtsein der Öffentlichkeit zu rücken.
Ich habe ferner von den Erklärungen erfahren, die anläßlich des 60. Jahrestags der Übergabe des „Generalplan Ost“ an den Reichsführer SS Heinrich Himmler, vom Präsidenten der Humboldt Universität zu Berlin Herrn Prof. Dr. Jürgen Mlynek und vom Fakultätsrat der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Humboldt Universität zu Berlin abgegeben wurden. Die beiden Erklärungen, die gleichsam aus dem Bewußtsein der Verantwortung für die Vergangenheit entstanden sind, deuten auf eine mutige und entschlossene Aufarbeitung des nationalsozialistischen Verbrechens und Unrechts hin. Die von den Veranstaltern des Ausstellungsprojektes „Generalplan Ost“ geäußerte Absicht, Vertreter der Länder und Völker, die Opfer jener NS-Verbrechen waren, nach Berlin einzuladen, ist begrüßenswert. Für den Aufarbeitungsprozeß wäre dies sicherlich von großer Bedeutung. Es ist auch sehr wichtig, gemeinsame Projekte junger Deutscher und Jugendlicher aus den Ländern Osteuropas, die dazu beitragen sollen, eine friedliche und freundliche Zukunft zu bauen, tatkräftig zu unterstützen.
Ich hoffe, daß Sie Ihre ehrgeizigen Pläne, die dem Zweck dienen, die Zusammenarbeit zwischen der akademischen Jugend in Deutschland und Polen enger zu gestalten, werden verwirklichen können.
Hochachtungsvoll
(Unterschrift)
Prof.
Dr. habil. Franciszek Ziejka
Lublin,
den 9. Januar 2003
Sehr
geehrte Damen und Herren,
die
von der nationalsozialistischen Diktatur betriebene Politik der Exterminierung,
Germanisierung und Kolonisierung hat Millionen von unschuldigen Menschen
unvorstellbar viel Leid und Elend gebracht. Die Region von Zamość
war eines der
Gebiete im besetzten Polen, die auf besonders grausame Weise Terror und
Repressionen ausgesetzt wurden. Sie erfüllte gleichsam die Rolle eines
SS-Labors, in dem mit der Umsetzung der in dem sogenannten Generalplan Ost
umrissenen, auf Völkermord hinauszielenden Kolonisierungs- und
Germanisierungsvorhaben begonnen wurde. Die Entscheidung, den Kreis von Zamosc
zum ersten deutschen Siedlungsgebiet im Generalgouvernement zu erklären, führte
dazu, daß über 100 000 polnischer Zivilisten ausgesiedelt und anschließend
entweder in Konzentrationslager – u.a. nach Majdanek – oder zur Zwangsarbeit
nach Deutschland verschleppt wurden. Unter den Deportierten befanden sich auch
Tausende polnischer Kinder.
Die
Ereignisse in der Region von Zamość
bildeten nicht nur eine tragische Episode
des Zweiten Weltkrieges, sondern auch ein Element eines langfristigen Programms,
das auf der nationalsozialistischen Rassentheorie fußte und die Eroberung von
Osteuropa auf dem Wege der Germanisierung, Vertreibung und infolgedessen auch
des Völkermordes an Millionen von Menschen zum Ziel hatte.
Die
staatliche Gedenkstätte Majdanek initiiert und unterstützt seit vielen Jahren
Projekte, die dem Zweck dienen, die Erinnerung an das tragische Schicksal der
Menschen aus der Region von
Zamość
wachzuhalten. Wir freuen uns somit darüber,
daß ähnliche Initiativen auch von der Verwaltung der Humboldt Universität zu
Berlin sowie deren wissenschaftlichen Mitarbeitern und Studenten angestrengt
werden. Die von Herrn Matthias Burchard geäußerte Absicht, zum 61. Jahrestag
des Generalplan Ost ein Ausstellungs- und Begegnungsprojekt
durchzuführen, an dem sich auch unmittelbare Zeitgenossen beteiligen sollen,
ist begrüßenswert. Ein solches Projekt würde ohne Zweifel nicht nur dazu
beitragen, der Opfer zu gedenken, sondern auch den heute Lebenden das Ausmaß
jener Tragödie zu veranschaulichen. Zugleich würde es uns hoffentlich auch zum
Nachdenken über unsere gemeinsame Verantwortung für die Gestaltung von
Gegenwart und Zukunft anregen.
Mit
freundlichen Grüßen
Edward
Balawejder
Berlin,
15.01.03
Betr: Völkermord an den Juden und den slawischen Völkern Europas, hier: Aufarbeitung des „Generalplan Ost“
Sehr geehrter Herr B.,
63 Jahre nach dem Überfall des Nazi-Reichs auf unseren Nachbarn Polen, 61 Jahre nach der Entfesselung des rassistischen Vernichtungskrieges gegen die Völker der damaligen Sowjetunion (und 63 Jahre nach dem verräterischen Hitler-Stalin-Pakt – der Verrat an Polen, den Baltischen Staaten und am Weltfrieden) ist eine Aufarbeitung des nationalsozialistischen Völkermordes an den Juden in Europa und an den slawischen Völkern noch keineswegs abgeschlossen – weder in der wissenschaftlichen Forschung noch gar im öffentlichen Bewusstsein in Deutschland.
Als die Aussöhnung der BR Deutschland mit Frankreich und mit Israel gesucht und geleistet wurde, begann auch die Erforschung der Dimensionen und Motive der nationalsozialistischen SHOA (des Holocaust) – mehrere Jahrzehnte und das Heranwachsen einer neuen Generation in Deutschland waren notwendig, um das ganze Ausmaß deutscher Verbrechen im Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit zu verankern.
Im Zeichen des Kalten Krieges aber ist das Ausmaß des nationalsozialistischen Völkermordes an den slawischen Völkern – den Polen, Ukrainern, Russen, Serben, Belorussen – im westlichen Deutschland häufig verdrängt worden, wenngleich der Ostpolitik Willy Brandts erste Schritte einer Versöhnung gelungen sind. Eine Vertiefung dieser Versöhnung mit allen unseren östlichen Nachbarn ist aber nur möglich, wenn die – in finsterster Zeit – im deutschen Namen vollendeten und die weitergehend geplanten genozidalen Verbrechen vorbehaltlos aufgearbeitet und einer breiten Öffentlichkeit ins Bewusstsein gebracht werden.
Mit grosser Entschlossenheit, Energie und Beharrlichkeit verfolgen Sie die Realisierung Ihres „Ausstellungs- und Begegnungsprojekts 61 Jahre Generalplan Ost“. Ihre Konzeption erscheint auch deshalb überzeugend, weil Sie die Zusammenarbeit mit Polnischen Institutionen suchen.
Daher ist zu hoffen, dass Ihr Projekt die notwendigen Unterstützungen und Finanzierung erfahren wird.
Mit freundlichen Grüssen
(Unterschrift)
Dr. R. Buchner
21369 Kovahl, 17.01.03
Betrifft: Aufarbeitung des Berliner „Generalplan Ost“
Gott zum Gruß“ Sehr geehrter Herr Burchard,
als Christen erachten wir es für dringend notwendig, die leidvolle Vergangenheit unseres Landes aufzuarbeiten und auf keinen Fall zu verdrängen. Die traurigen geschichtlichen Ereignisse unserer Nation aufzuarbeiten durch Öffentlichkeit und Schritte zur Versöhnung ermöglicht erst eine wirklich unbelastete Gestaltung der Gegenwart und Zukunft.
Dies ist uns umso mehr regelmäßig gegenwärtig, da wir im Oblast Kaliningrad, ehemals (Nord-) Ostpreußen, ein Kinderdorfprojekt aktiv unterstützen und durch unsere engen Kontakte zu Israel und einem dortigen Kinderhilfswerk, welches aufgrund der Initiative von Herrn Gottfried Müller, Gründer auch unseres Werkes, entstand. Auch durch diese Beziehungen wissen wir um die große Bedeutung und Notwendigkeit, die der Aufarbeitung der dunklen Vergangenheit unseres Volkes zukommt.
So schätzen wir Herrn Burchards unermüdlichen Einsatz zur Aufarbeitung des dunklen Kapitels „Generalplan Ost“ und der Rolle der Wissenschaft dabei. Eine öffentliche Entschuldigung stellvertretend durch die heute Verantwortlichen an der Humboldt-Universität, u.a. in Zamość erachten wir für eine notwendige Geste auch im Sinn der Vorbildfunktion für die an der Humboldt-Universität in Ausbildung befindliche Jugend. Ebenso unterstützen wir die Anbringung einer Gedenktafel und die Organisation einer Ausstellung und besonders eines Angebotes der Kontaktaufnahme und Pflege zum Landkreis Zamosc, der seinerseits bereits seine Hände uns in Deutschland und den Verantwortlichen in Berlin und an der Humboldt-Universität entgegengestreckt hat.
Dies ist mir alles umso wichtiger, da ich selbst Absolvent der Humboldt-Universität bin und Herrn Burchards intensives und ausdauerndes Bemühen von Anfang an kenne, intensivst seit 1992!
Mit freundlichen Grüßen
(Unterschrift)
Dr. Andreas Olszewski
Kinderdorfleitung
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